18. November 2020

Risikofaktoren für COVID-19 beim Spitalpersonal

Dieses Thema beschäftigt zur Zeit viele Mitarbeitende im Gesundheitswesen. Einzelne Spitalabteilungen sind voll mit COVID-19 Patienten, und viele Angestellte fragen sich, wie gut sie sich durch Schutzmassnahmen selbst schützen können und inwieweit ihr Risiko für eine Ansteckung durch die Arbeit im Spital erhöht ist.

Grosse Studie in über 20 Schweizer Gesundheitsinstitutionen

Unsere Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene des Kantonsspitals St. Gallen hat diesen Sommer in Zusammenarbeit mit anderen Spitälern aus den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Zürich und Aargau eine Kohortenstudie (SURPRISE-Studie) bestehend aus fast 5’000 Spitalmitarbeitenden gestartet. Das Ziel der SURPRISE-Studie ist es, die COVID-19 Erkrankungshäufigkeit beim Spitalpersonal zu bestimmen sowie Risikofaktoren für eine Infektion zu finden. Ob eine Erkrankung stattgefunden hat, wird mittels Antikörpertest bestimmt. Im Gegensatz zu bisherigen Studien zum Thema werden nicht nur Risikofaktoren am Arbeitsplatz, sondern auch verschiedenste Risiken für eine Ansteckung ausserhalb des Spitals untersucht.

Erste Daten vom Sommer analysiert

Die Daten der Baseline-Erhebung (Blutentnahme zwischen Juni und August 2020) wurden jetzt als preprint publiziert, d.h. die Studie wurde noch nicht von Fachexperten beurteilt. Insgesamt konnten bei 139 von 4’664 (3.0%) Teilnehmenden spezifische Antikörper gefunden werden. Der Anteil war höher in Zürich und im Aargau als in der Ostschweiz (siehe Figur 1).

Figur 1. SARS-CoV-2 Seroprävalenz von 4’664 Spitalmitarbeitenden nach Wohnort (graue Bereiche mit weniger als 10 Teilnehmenden).

Wer wird eher angesteckt?

Spannend sind die Ergebnisse bezüglich Risikofaktoren (siehe Figur 2). Der mit Abstand stärkste Faktor war, einen Haushaltskontakt oder Intimpartner mit nachgewiesener SARS-CoV-2 Infektion zu haben (Risiko für Positivität ca. 25-fach erhöht). Wie bereits von anderen Autoren gezeigt, waren Teilnehmende mit Blutgruppe 0 oder auch aktive Raucher seltener positiv. Enge Kontakte mit COVID-19 bestätigten Patientinnen oder anderen Mitarbeitenden, fehlende Kenntnisse von grundlegenden Hygieneprinzipien sowie Besuche der Spitalkantine waren alle mit leicht erhöhtem Risiko assoziiert.

Figur 2. Resultat der multivariablen Analyse. Faktoren, die mit niedrigerem Risiko assoziiert sind, liegen links der vertikalen Linie; solche mit höherem Risiko rechts. Ein Ergebnis ist statistisch signifikant, wenn die horizontale Linie die vertikale NICHT schneidet (der p-value liegt dann unter 0.05). Beachten Sie, dass der Wert für positive Haushaltskontakte ausserhalb der Skala liegt.

Schützen uns Kinder?

Erstaunlich war folgendes Resultat: wer mit Kindern unter 12 Jahren im selben Haushalt lebt, hatte ein deutlich niedrigeres Risiko positiv zu sein. Dies selbst nach Berücksichtigung aller anderen Faktoren inklusive Alter, Geschlecht, Wohnort, Arbeitspensum oder Freizeitaktivitäten. Eine Studie mit fast 10 Millionen Erwachsenen aus England zeigte kürzlich ähnliche Resultate. Die Gründe dafür sind unklar. Eine Hypothese ist, dass Leute mit Kontakt zu Kindern häufiger auch Infektionen mit sogenannten endemischen Coronaviren haben, welche eine gewisse Kreuzimmunität gegen SARS-CoV-2 hervorrufen könnten. Weitere Untersuchungen diesbezüglich sind aber notwendig.

Verlauf wird besonders interessant

Die SURPRISE-Studie läuft über den ganzen Winter hinweg weiter. Die inzwischen über 5’500 Teilnehmenden senden wöchentlich einen Bericht über ihren Gesundheitszustand. Anfang nächsten Jahres werden wir erneut Antikörper im Blut bestimmen. Diese Resultate werden uns noch genauere Informationen darüber liefern, wer sich wo angesteckt hat. Ausserdem werden wir mehr über die Dauer des Antikörpernachweises sowie über mögliche Re-Infektionen bei bereits positiv getesteten Teilnehmenden erfahren. Wir sind gespannt!