20. Januar 2019

Interessenskonflikte bei Patientenorganisationen häufiger als bekannt

Wenn es um Entscheidungen zum Nationalen Einsatz eines neuen Medikamentes geht, dann lassen sich die Behörden von medizinischen Experten und betroffenen Patienten gerne beraten. Dabei gilt bei solchen „health technology assessments“ immer auch, dass die beratenden Personen ihre Interessenskonflikte offfenlegen müssen. Die früher üblichen geldwerten Geschenke an Aerzte und medizinische Organisationen sind heute glücklicherweise nicht mehr erlaubt und Interessenskonflikte von verschreibenden Aerzten sind bei solchen Beratungen tabu. Interessanterweise ist nun die pharmatzeutische Industrie in den letzen Jahren vermehrt darauf übergegangen, auch Patientenorganisationen mit geldwerten Leistungen zu unterstüzten.

Untersuchung der Interessenskonflikte
Nun haben Britische Autoren zusammen mit dem Institut welches die medizinischen Qualitätsstandards in England festlegt (NICE, National Institute for Health and Care Excellence) eine Untersuchung publiziert, in der die Frage der Offenlegung von Interessenskonflikten durch Patientenorganisationen geprüft wurde. Dabei wurden 46 Patientenorganisationen eingeschlossen, welche in den Jahren 2015 und 2016 bei sog. Health Technology Assessments (HTA) beteiligt waren.

Interessenskonflikte selten deklariert
Tatsächlich waren in praktisch allen Verfahren, die in diesen Jahren durchgeführt wurden, auch Patientenorganisationen beteiligt und die Interessenskonflikte waren massiv. In mindestens zwei Drittel aller untersuchten Fälle hatten die am HTA beteiligten Organisationen im aktuellen oder im Vorjahr finanzielle Entschädigungen von pharmazeutischen Firmen erhalten. Und nur einer von vier hier beschriebenen Interessenskonflikten wurde der NICE Behörde deklariert. Die Autoren weisen auch darauf hin, dass diese Resultate das wahre Ausmass der Interessenbindung voraussichtlich unterschätzen, da trotz aller Sorgfalt der Untersuchung gewisse Unterstützungen durch die Industrie nicht erfasst wurden. Sie zitieren auch eine ähnliche Untersuchung der FDA, wonach die Berater auch noch mehrere Jahre nach den Beratungen finanzielle Unterstützung von Seiten der Industrie erhielten (Piller, Science 2018).

Kommentar
Interessenskonflikte sind ein heikles, aber wichtiges Thema. Jeder der ein Produkt verkauft, möchte für dieses Produkt Werbung machen und wir sind uns als Konsumenten gewohnt, dass wir von den Anbietern mehr oder weniger grosszügig belohnt werde. Heikel in der Medizin ist es deshalb, weil die Kunden (Ärzte, welche sich für ein Produkt entscheiden) nicht die Konsumenten (Patienten, welche die Therapie mit möglichen Nebenwirkungen einnehmen) sind. Und als Ärzte sind wir oft der Industrie auch dankbar dafür, dass sie uns Produkte bereit stellt, mit denen wir unseren Patienten einen deutlichen Qualitätsgewinn vermitteln können. So habe ich das selbst im Bereich HIV sehr deutlich erlebt. Daher ist uns selbst der eine oder andere Interessenskonflikt nicht bewusst. Dies ist mit ein Grund, weshalb strenge Gesetze die geldwerten Leistungen der Industrie an die Aerzteschaft sehr streng regulieren. Dass jedoch auch Patientenorganisationen in diesem Prozess der Beeinflussung von Entscheidungsprozessen direkt durch die Industrie manipuliert werden, ist uns vielleicht noch etwas weniger bewusst. Diese Publlikation hilft, diese Zusammenhänge wieder etwas genauer anzuschauen.