7. Oktober 2016

PrEP reduziert HIV-Risiko – STIs nehmen zu

PrEP – die prä-expositionelle Prophylaxe einer HIV-Infektion durch Einnahme von HIV-Medikamenten wirkt, wie die IPERGAY und die PROUD Studien gezeigt haben. In den ersten meist euphorischen Mitteilungen über diese medikementöse Form der HIV-Prophylaxe wurde immer wieder erwähnt, dass die Einnahme von PrEP NICHT zur einer Veränderung des Risikoverhaltens führe, man könne keine Zunahme von anderen Geschlechtskrankheiten erkennen. Auch eine Analyse innerhalb der Ipergay-Studie kam zu diesem Schluss (Sagaon-Teyssier, AIDS-Care 2016).

Realität wohl nicht ganz so rosig
Eine in der letzten AIDS Ausgabe publizierte Metaanalyse kommt zu einem etwas anderen Ergebnis (Kojima, AIDS 2016). Die Autoren haben Kohorten-Studien gesucht, bei welchen die Inzidenz von Geschlechtskrankheiten (STI) bei Männern die Sex mit Männern haben (MSM) untersucht wurde. Insgesamt identifizierten die Autoren 19 solche Studien mit einer totalen Beobachtungszeit von 70’000 Patientenjahren! In 5 dieser Studien haben die MSM PrEP benutzt, in den restlichen 14 Studien nicht.

Syphilis, Tripper, Chlamydien: Massiv häufiger
Wenn man nun die Inzidenz für STIs in diesen beiden Gruppen (mit/ohne PrEP) vergleicht, so zeigt sich in den Studien mit PrEP eine massiv erhöhte Inzidenz für Geschlechtskrankheiten: Die Inzidenz von Syphilis war 45 mal höher bei den PrEP benutzern, für Tripper und Chlamydien ergab sich eine Erhöhung der Inzidenz um den Faktor 25 respektive 11 (Tabelle).

PREP_MSM_STI

Gruppen nicht unbedingt vergleichbar
Natürlich wird man einwenden können, dass das Risikoprofil der Patienten in diesen Kohorten (MSM mit und ohne PrEP) nicht zwingend dasselbe sein muss. Denn das Auftreten von STIs gilt (s.unten) auch als Indikator für ein erhöhtes HIV-Infektionsrisiko und ist somit auch eine Indikatoin zur Durchführung einer PrEP. Doch der recht hohe Unterschied in den STI Inzidenzen muss uns doch etwas zur Vorsicht mahnen. Eine allzu aktive Propagierung einer HIV-PrEP als DIE PRÄVENTIONSFORM dürfte doch mit einer erhebllichen Zunahme des Risikoverhaltens einhergehen.

Fazit
Die Eidgenössische Kommission für Sexuelle Gesundheit empfiehlt PrEP nur für Situationen / Personen mit einem sehr hohen Risiko einer HIV-Infektion (s. Bericht). Die WHO legt als Richtlinie eine erwartete HIV-Inzidenz von 3% fest. Tatsächlich gibt es Personen, die – gerade für einen umschriebenen Zeitraum – eine so hohe Inzidenz haben. Doch im allgemein haben die meisten MSM in der Schweiz ein HIV-Risiko das deutlich unter dieser Marke liegt. Insofern ist es wohl klug, wenn wir uns angesichts der doch deutlichen Erhöhung der STI Inzidenz etwas zurückhaltend verhalten bezüglich PrEP als Wundermittel. Dennoch, für eine kleine Gruppe von MSM dürfte die PrEP eine wichtige Ergänzung der Präventionsmassnahmen darstellen, wie auch die EKSG in ihrer Empfehlung schreibt: „Das Risiko kann auch kurzfristig erhöht sein und deshalb eine zeitlich befristete PrEP sinnvoll machen (z.B. Sextourismus/Sexpartys in Ländern/Städten mit hoher HIVPrävalenz). Die EKSG geht davon
aus, dass nur bei einer Minderheit der Männer die Sex mit Männern haben (MSM) ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis vorliegt, nämlich bei einem substantiell erhöhten HIV-Risiko.