Tuberkulose in der Moderne
Die Tuberkulose wurde am diesjährigen ECCMID bereits im Zusammenhang mit Migrationsmedizin thematisiert. Ein weiteres Symposium befasste sich in erster Linie mit dem Konzept der personalisierten Medizin bei Tuberkulose.
Resistente Tb-Bakterien – Limitierte Optionen
Sebastien Gagneux vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut in Basel präsentierte spannende Studienansätze und Hypothesen zu den Wechselwirkungen zwischen den Mykobakterien und ihren „Hosts“ (Vortrag online). Die Therapie der Tuberkulose befindet sich auch heute noch im Spannungsfeld zwischen Wirksamkeit, Toxizität und Resistenzentwicklung. Auch der Kostenfaktor spielt in vielen Endemiegebieten eine nicht unerhebliche Rolle. Die Problematik der multiresistenten TB illustrierte S. Gagneux anhand der Fallvorstellung eines tibetischen Flüchtlings in der Schweiz, welcher mit einer primär multiresistenten Tuberkulose einreiste und während der Behandlungszeit rasch auch Resistenzen gegen alle eingesetzten, neuen Tuberkulostatika (Bedaquilin®, Clofazimine®, Capreomycin®, Delamanid©) entwickelte. Hier zeigt sich eindrücklich, wie diese über viele Jahre für Millionen Dollar entwickelten Substanzen den individuellen Voraussetzungen eines einzelnen Patienten und seiner Mykobakterien gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang stellte S. Gagneux das WHO-unterstützte Projekt ReSeq TB vor (https://platform.reseqtb.org/), welches durch Whole Genome Sequencing von M. tuberculosis-Isolaten aus der ganzen Welt Ansätze zur in-vitro-Resistenztestung weiterentwickeln will.
Diversität und Selektive Transmission
Bei über zwei Milliarden TB-infizierter Menschen weltweit, von denen >90% nie Krankheitssymptome entwickeln, scheint klar, dass der Verlauf der Infektion und Erkrankung höchst variabel ist. Welche Faktoren hierbei entscheidend sind, ist jedoch bisher weitgehend unklar. Die früher verbreitete Ansicht, dass das M. tuberculosis einen uniformen Klon darstellt, wurde inzwischen widerlegt. Phylogeographische Analysen zeigen, dass der Ursprung von Mykobakterien in Afrika liegt. Daraus entwickelten sich viele Stämme, von denen einige inzwischen ausgestorben sind, andere wiederum nur in ihrer Region „erfolgreich“ waren (Bsp. M. africanum). Daten aus den USA zeigen, dass M. tuberculosis eine starke Tendenz hat, sympatrisch übertragen zu werden, d.h. bei Einwanderern persistieren Mykobakterienstämme in der Regel innerhalb der einzelnen Ethnien. Interessanterweise zeigt die allopatrische Übertragung zwischen verschiedenen Ethnien eine deutliche Assoziation zu HIV-positivem Status und nimmt mit sinkender CD 4-Zahl zu. Die Zusammenhänge zwischen der Diversität der Mykobakterien und der Menschen sind komplex und noch wenig untersucht. Phylogenetische Ähnlichkeiten zwischen dem mykobakteriellen Genom und dem menschlichen mitochondrialen Genom legen nahe, dass wir Menschen zusammen mit den Mykobakterien eine Co-Evolution durchlaufen haben. Hier könnten Ansätze für eine individualisierte Medizin bestehen, welche im Jahr 2016 jedoch noch Zukunftsmusik sind.