10. April 2016

HIV-Adherence: Wie viel ist gut genug?

Wir wissen, dass eine HIV-Therapie so zuverlässig wie nur möglich eingenommen werden soll. Es geht darum, die Entwicklung von Resistenten Viren zu verhindern. Vermutlich ist dies vor allem zu Beginn der Behandlung ganz wichtig. Denn wenn das Virus mal über längere Zeit supprimiert war, dann zeigt sich in der Erfahrung, dass die ganz regelmässige Einnahme der Therapie nicht mehr so wichtig ist. Doch wieviel Nachlässigkeit toleriert das Virus noch?

Nimish Patel (Abstract #3964) präsentierte eine interessante Studie aus Albany zur „Minimalen Adhärenz“ unter HIV. Diese Autoren haben in einer retrospektiven Analyse von Kohortendaten zum ersten Mal untersucht, welchen Schwellenwert die Adherence während einer Erhaltungstherapie haben muss. Die Adhärenz wurde mit der verabreichten Anzahl Tabletten gemessen. Die Population war relativ alt (median 51 Jahre). Ein Drittel war mit PI, etwa 40% mit NNRTI behandelt. Die Adhärenz war unter PI etwas geringer, aber nicht signifiant.

In der retrospektiven Analyse fand sich ein „Breakpoint“ für eine schlechte Adhärenz von 70%. Dieser Wert ist tiefer, als für die initiale Adhärenz (Angabe der Autorin: 75%). Allerdings ist dieser Schwellenwert nciht wirklich ein sicherer Wert. Denn wie die Untenstehende Kaplan Meier Analyse sehen, erkennt man zwar eine sehr deutlichen und hoch signifikanten Unterschied zwischen den Patienten mit Adherence >70% (um 80% nach 3 Jahren supprimiert) und denjenigen mit <70% (rund 45% suppressionsrate). Doch wir würden nach wie vor eine Suppressionsrate um 90% erwarten. Es gibt also noch eine Gruppe von denjenigen Patienten, die deutlich besser sind als 70% Adherence.

Doch was die Studie schön bestätigt, ist die eingangs erwähnte Vermutung, wonach die Adherence während der Erhaltungstherapie weniger gut zu sein braucht als während der Induktionstherapie. Aber wir müssen weiterhin unsere Patienten unterstüzen, die Therapie so zuverlässig wie möglich einzunehmen.Patel_Adherence

Die Autorin erwähnte auch, allerdings ohne Zahlen zu zeigen, dass Patienten mit Single-Tablet-Regimen bessere Resultate hatten als alle anderen. Doch in der Diskussion zeigte sich dann, dass in der anderen Gruppe auch Patienten waren, welche nicht nur zwei, sondern noch mehr Tabletten einnehmen mussten. Die Gruppen waren auch nicht vergleichbar, denn in der zweiten Gruppe waren natürlich vor allem Patienten, welche wegen früheren Therapieversagen eine komplexere Therapie einnehmen mussten.

Dem sorgfältigen Zuhörer wird nicht entgangen sein, dass die Studie von Gilead finanziert wurde, sodass diese Nebenbeobachtung zur „Single Tablet Regimen“ wohl  nicht ganz als bare Münze genommen werden darf. Denn prospektive Studien haben schon gezeigt, dass zwischen einer und zwei Tabletten pro Tag bezüglich Adherence und Therapie-Resultat kein Unterschied besteht.