Asylbewerber in Europa – Migration von Menschen und Keimen
Die erhöhte Rate von Migration von Flüchtlingen aus dem nahen Osten und Afrika führte in vielen Europäischen Zentren zu einem Anstieg von Infektionskrankheiten, die wir zum Teil schon fast nicht mehr kennen. Eine ganze Late-braker Session (LB02) am ECCMID 2016 widmete sich dieser Problematik.
Resistente Bakterien wandern mit…
Die bakterielle Resistenzproblematik ist ein Thema, welches mehr und mehr in den Vordergrund rückt. In der Schweiz ist die Resistenzlage vergleichsweise noch „mild“. Dies wird auch mit einem (im Europäischen und Internationalen Vergleich) relativ tiefen Antibiotika-konsums erklärt. Mit den Migrationsströmen von Asylbewerbern bewegen sich auch ganze Populationen von Bakterien, mit ihnen auch die Antibiotika-resistenten Keime.
Das infektiologie Team des Spital Olten (Egli et al, Abstract 7019) ist dieser Frage für ihre lokale Population von Asylbewerbern nachgegangen. Das Team hat Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder Nigeria (Länder, für die Resistenzdaten fehlen) untersucht wenn diese über Hautprobleme klagten. Die Asylbewerber waren im Durschnitt 10 Monate unterwegs, bis sie in die schweiz kamen. Dies zeigt auch, dass diese Population auf ihrer Reise sehr oft in engen Verhältnissen ausreichend Zeit hat, ihre Keime auszutauschen.
Von den 261 untersuchten Patienten waren 16% mit MRSA kolonisiert (unabhängig vom Herkunftsland). Eine Kolonisation mit ESBL fand sich bei knapp einem Viertel der Personen, wobei Personen aus dem mittleren Osten mit 35% deutlich höhere Kolonisationsraten aufwiesen. Diese Kolonisationsraten sind 5- (ESBL) bis 10-mal (MRSA) höher als unsere lokalen Raten.
Die Autoren haben anschliessend aber noch eine weitere Typisierung der MRSA-Keime vorgenommen. Diese wurden mit Next Generation Sequencing (NGS) analysiert. Dabei konnten sie zeigen, dass die mehrheit der Isolate praktisch identisch waren, sodass es sich hier um einen eigentlichen „outbreak“ handeln musste. Dieser scheint tatsächlich erst nach der Ankunft in der Schweiz in einem Zentrum erfolgt zu sein, denn die Betroffenen kamen aus sehr verschiedenen Regionen. Also eigentliche Entwarnung bezüglich MRSA: Nicht die Herkunft der Personen war das Problem, sondern offenbar das enge Zusammenwohnen in den Asylunterkünften in der Schweiz.
Scabies – Häufig und Lästig
Holländische Autoren (Beeres et al., Abstract #7598) haben in einem Nationalen Eintrittszentrum für Asylbewerber von Juli bis November 15 systematisch alle Asylbewerber aus Äthiopien, Eritrea oder Somalia auf Scabies untersucht. Bei 30% der Eingewanderten fand sich ein Scabies-Befall. Ungefähr ein Viertel bis zu einem Drittel der Betroffenen war auch symptomatisch (Juckreiz). Komplikationen (insbesondere Hautabszesse als Folge des Kratzens) fanden sich recht häufig.
Bemerkenswert aber dann die Konsequenz aus diesen Beobachtungen. Das Holländische Gesundheitsamt hat dann begonnen, systematisch alle Asylbewerber der genannten Ursprungsländer beim Eintritt in das Aufnahmezentrum gleich zu Screenen (klinisch) und allen asymptomatischen Personen angesichts der hohen Prävalenz eine Dosis Ivermectin (0.2mg/kg) zu verabreichen, und den symptomatischen Personen im Sinne der regulären Therapie nach einer Woche eine Zweitdosis zu verabreichen.
Unerkannte HIV-Infektionen bei Asylbewerbern
Seit Jahren versuchen wir in der Schweiz erfolgreich, die Diagnose der HIV-Infektion so früh wie möglich zu stellen, um die Weitergabe der Infektionen zu verhindern. Mit den zunehmenden Migrationsbwegungen müssen wir uns auch darauf vorbereiten, dass wieder mehr Menschen mit einer fortgeschrittenen, nciht diagnostizierten HIV-Infektion zur Abklärung kommen.
Ein Dänisches Team (L. Deen et al, Abstract #7583) hat die Erstdiagnosen von HIV und im Speziellen die sog. „late-presenters“ im Rahmen des Nationalen Registers untersucht. Als „late presentation“ (LP) wurde definiert, wer bei Erstdiagnose eine CD4 Zellzahl unter 350 oder eine AIDS-definierende Erkrankung hatte. Von den fast 700 Fällen von LP waren über 400 bei Migranten. Das Risiko einer LP war über 5 Mal höher bei Flüchtlingen als bei Dänen, und noch höher (10x) bei Angehörigen, die im Rahmen des Familiennachzugsprogrammes nach Dänemark kamen. Die höchsten LP-Raten (verglichen mit Dänischer Bevölkerung) fanden sich bei Personen aus Subsahara-Afrika (27x), Südostasien und Lateinamerika (7x), gefolgt von Osteuropa und Zentralasien (4x).
Die Zahlen sollten uns aufhorchen lassen, vielleicht sollten wir doch wieder vermehrt Asylbewerbern und ihren Familienangehörigen systematisch einen HIV-Test anbieten.