Prednison und Pneumonie?

Bei der Therapie von Infektionskrankheiten gilt es sowohl das Immunsystem gegen die Erreger zu unterstützen als auch ein Überschiessen der Immunantwort zu verhindern. So wurden seit den 1950er Jahren immer wieder Corticosteroide für die Behandlung der Pneumonie untersucht, allerdings haben sie sich trotz einiger erfolgreicher Berichte nicht richtig durchgesetzt. Nun wurde die dazu bisher grösste, doppelblinde Studie publiziert (Blum et al, Lancet 2015).

Der Studienplan – Randomisiert, Placebokontrolliert
785 Patienten, die wegen einer ambulant-erworbenen Pneumonie in einem von 7 grossen Spitälern in der Schweiz hospitalisiert wurden, erhielten innerhalb von 24 Stunden nach Präsentation 7 Tage lang entweder Prednison 50mg 1x/d oder Placebo. Von den 785 Patienten (392 Prednison, 393 Placebo-Gruppe) hatten 49.2% eine schwere Pneumonie gemäss Pneumonia severity index (PSI Klasse IV/V). Ausgeschlossen wurden unter anderem Patienten mit schwerer Immunsuppression sowie Patienten, bei denen ohnedies Steroide indiziert gewesen wären.

Studienziel: Patient ist „über den Berg“
Der primäre Endpunkt war das Erreichen medizinischer Stabilität, definiert als stabile Vitalzeichen für mindestens 24 Stunden:

  • Temperatur ≤ 37.8°C
  • Puls ≤ 100/min
  • Atemfrequenz ≤ 24/min
  • Blutdruck stabilisiiert (≥ 90 mmHg, ohne Medikamente)
  • Bewusstseinszustand wie vor der Pneumonie
  • Normale Nahrungsaufnahme möglich (inkl. Medis)
  • Sauerstoffversorgung gut (PaO2 ≥ 60 mmHg / O2-Sättigung ≥ 90%)

Heilung signifikant beschleunigt
In der Prednison-Gruppe erreichten dieBlum_2015_KM Patienten die medizinische Stabilität im Durchschnitt 1.4 Tage früher als in der Placebo-Gruppe (3.0 vs. 4.4 Tage, HR 1.33, p<0.0001). Damit war Prednison für den primären Endpunkt signifikant besser (s. nebenstehende Kaplan Meier Analyse).

Auch weitere Resultate zeigten Vorteil von Kortison
Bei den sekundären Endpunkten fanden sich auch signifikante Vorteile für die Behandlung der Pneuminie mit Prednison (s. untenstehende Tabelle links)

  • kürzere Hospitalisationsdauer (6.0 vs. 7.0 d, HR 1.19, p=0.012, Tab. 2),
  • kürzere Infusionstherapie mit Antibiotika (4.0 vs. 5.0 Tage, p=0.011, Tab. 2),
  • wweniger Pneumonie-assoziierte Komplikationen (Trend)

Blum_2015_TabAllerdings fand sich – erwartungsgemäss – bei den Cortison-behandelten Patienten vermehrt eine Insulin-bedürftige Blutzuckerentgleisung (Hyperglykämien 19% vs. 11%, OR: 1.96, p=0.001).In diversen Subgruppenanalysen waren die Ergebnisse konsistent.

Diese sauber geplante und durchgeführte Studie ist die bisher grösste zu diesem Thema. Allenfalls kann die Wahl des zusammengesetzten Endpunktes kritisiert werden, wobei dieser jedoch in verschiedenen Publikationen und Richtlinien etabliert ist. Zu beachten sind auch die zahlreichen Ausschlusskriterien. Einen Mortalitätsvorteil zeigte Prednison nicht, aber dafür war die Fallzahl nicht gross genug.

Und die Konsequenzen für die Praxis
Was bedeutet das für uns? Ein begleitendes Editorial (Annane. Lancet 2015) fordert bereits, dass es Zeit sei, unsere Praxis zu ändern. Es ist in der Tat ein hot topic. Wenig später erschein im JAMA eine weitere randomisierte kontrollierte Studie zum gleichen Thema (Torres, JAMA 2015). Diese Studie schloss zwar nur 113 Patienten mit schwerer Pneumonie in 3 spanischen Spitälern über 8 Jahre ein, aber auch hier zeigte sich ein Benefit der Gruppe, die Methylprednisolon intravenös für 5 Tage erhielten.

Die Evidenz für Kortikosteroide bei hospitalisierten Patienten mit Pneumonie wird damit immer grösser, auch wenn die Vorteile „eher weichere“ Endpunkte betreffen. Vielleicht sollten wir schon mal unsere Insulinspritzen aufziehen.