Entecavir besser als Lamivudin in der präemptiven Therapie der Hepatitis B bei Immunsuppression?
Die Reaktivierung einer chronischen Hepatitis B unter Immunsuppression ist ein relevantes Problem. Deshalb wird insbesondere vor der Durchführung einer Chemotherapie bei positiver Hepatitis B Serologie ohne Therapieindikation eine präemptive Therapie mit Lamivudin (Zeffix) eingeleitet. Sofern eine Therapieindikation für die chronische Hepatitis B besteht (erhöhte Transaminasen, HBV DNA > 2000 IU/ml, Zeichen von Leberfibrose) wird eine Therapie mit Entecavir (Baraclude) oder Tenofovir (Viread) vorgezogen, da diese beiden Wirkstoffe eine höhere genetische Barriere gegen eine Resistenzentwicklung und eine bessere antivirale Aktivität aufweisen. Die Frage ist nun, ob eine bessere anitvirale Aktivität nicht auch besser wäre für die präemtive Therapie. Das hat eine Studiengruppe aus China nun in einer Population von Patienten mit einem diffusen large B-cell Lymphom und folgender R-CHOP Chemotherapie angeschaut.
Risiko eine Hepatitis B zu reaktivieren unter Chemotherapie erhöht
Patienten, welche eine Chemotherapie mit R-CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vinvristin, Prednison) erhalten haben ein Risiko von bis zu 80% unter der Therapie eine bisher vom Immunsystem gut kontrollierte Hepatitis B zu reaktivieren oder gar deswegen eine Hepatitis zu entwickeln. Unter Prophylaxe mit Lamivudin reduziert sich das Risiko auf ca. 30%. Ob andere Prophylaxen wie Entecavir, Adefovir oder Tenofovir genauso gut oder gar besser wirken ist unbekannt.
Studiensetting und Patientenpopulation
HBs-Antigen positive Patienten mit einem neu diagnostizierten diffusen large B-cell Lymphom, welche in eine Studie zum Vergleich von zwei verschiedenen R-CHOP Therapieschemata eingeschlossen wurden, wurden in einer Unterstudie randomisiert, entweder 100mg Lamivudin/Tag oder 0.5mg Entecavir/Tag als präemptive Therapie zu bekommen. Diese wurde 1 Woche vor Chemotherapiebeginn gestartet und sollte 6 Monate nach Chemotherapieende wieder gestoppt werden.
Die Patienten mussten mindestens 18 jährig sein, eine längere Lebenserwartung als 3 Monate haben, HBs-Antigen positiv sein, durften aber keine Therapieindikation (erhöhte Leberwerte, HBV DNA über 1000 IU/ml) haben. Ebenfalls durften die Patienten keine andere Hepatitiden (C, D) haben.
Endpunkte der Studie
Der primäre Endpunkt war das Auftreten einer durch Hepatitis B verursachten Hepatitis. Sekundäre Endpunkte waren Hepatitis B Reaktivierung (definiert als 10facher Anstieg der HBV DNA Levels oder ein absoluter Anstieg von 100 000 IU/ml, verglichen mit dem base line level) oder Chemotherapieunterbruch und verspätete HBV Reaktivierung (Anstieg der HBV DNA 6 Monate nach Chemotherapiestart).
Resultate
Insgesamt wurden über 4 Jahre (2008-2012) 121 Patienten in die intention to treat Analyse eingeschlossen (siehe figure 1). Die Patienten in der Lamivudin Gruppe hatten signifikant mehr Hepatitis B assoziierte Hepatitiden (13.3%) als die Patienten in der Entecavirgruppe (0%) (siehe Tabelle 2) bei gleich guter Verträglichkeit. Ebenfalls war das Auftreten von HBV Reaktivierung unter Entecavir deutlich seltener als unter Lamivudin (6.6% vs 30%).
Diskussion
Diese Zahlen zeigen eine deutlich bessere Wirksamkeit von Entecavir in der präemtiven Therapie einer bisher gut durch das Immunsystem kontrollierten Hepatitis B unter R-CHOP Chemotherapie. Somit muss die gängige Praxis der präemptiven Therapie mit Lamivudin in Frage gestellt werden. Da Lamivudin billiger ist als Entecavir und eine solche Umstellung deutlich mehr kosten würde stellen sich die Autoren die berechtigte Frage, ob alle Patienten von Entecavir profitieren oder ob bei einigen Lamivudin genügt. Um diese Frage zu beantworten braucht es aber sicherlich weitere Studien.