Antibiotika und Impfungen

Für einige Pest und Cholera, für viele aber wichtige Errungenschaften der Medizin. So wirksam und unerlässlich beide Massnahmen sind, eine Impfung nach Antibiotikagabe erscheint in einigen Fällen gemäss neuen Untersuchungen weniger wirksam. Die Erklärung liegt dabei im Darm.
Nur ca. 10% der Zellen, die zu uns gehören sind menschliche Körperzellen. 90% sind Bakterienzellen (in der Gesamtheit als Microbiota bezeichnet) und die meisten finden die besten Lebensbedingungen im Darm. Ohne Bakterienzellen ist unser Immunsystem geschwächt, denn die Darmbakterien kommunizieren direkt mit dem grössten Teil des Immunsystems, welches sich in nächster Nähe unter der Darmschleimhaut findet und beeinflussen direkt die Immunantwort. So wird auch sofort verständlich, dass einige Impfungen, die unser Immunsystem stärken sollen, ohne die Bakterienzellen im Darm weniger gut funktionieren.

Mit anderen Worten, die Darmbakterien können als endogenes Adjuvans, d.h. als „Verstärker“ von Impfungen wirken. Dies wurde überzeugend zumindest für die Influenza Impfung vom Typ TIV (trivalent inactivated influenza vaccine) im Tiermodell gezeigt. Wissenschaftler an der Emory Universität in Atlanta konnten nachweisen, dass die frühe Immunantwort während der ersten 28 Tage von TLR5 (Rezeptor der unspezifischen Immunabwehr) abhängt (Oh et al, Immunity, 2014). Mäuse ohne genetische Information für den Rezeptor zeigen eine verminderte Impfantwort. Der selbe Effekt zeigt sich auch bei Mäusen, die keine Bakterien im Darm haben (germfree, GF) oder aber nach vorausgehender Antibiotikagabe (TIV-spezifische IgG, siehe Graphik 1).

Graphik 1

Übrigens war nicht nur die primäre Immunantwort in diesen Gruppen weniger wirksam, auch die erneute Impfung (Booster) erreichte keine vergleichbaren Antikörpertiter (siehe Graphik 2).

Interessanterweise gab es schon vor einigen Jahren eine Untersuchung, die gezeigt hat, dass Lactobazillen die Immunantwort auf eine Impfung gegen Influenza verstärken (Davidson, 2011). Hier wurde allerdings ein anderer Influenzaimpfstofftyp (LAIV, live attenuated influenza vaccine) verwendet.

In der aktuellen Studie zeigte sich nun, dass sich die verminderte Immunantwort nach Antibiotikagabe durch die Zugabe von flagellierten E. coli wieder normalisiert. Dies deutet auf einen direkten Effekt von Flagellin (vorhanden bei grampositiven und -negativen Bakterien) über den TLR5-Rezeptor (der Flagellin bekanntlich erkennt) auf die B-Zellen, die sich zu den Antikörper-bildenden Plasmazellen differenzieren.

Unbenannt1

Graphik 2

In dem Modell wurden auch andere Impfstoffe untersucht. Bei einer nichtadjuventierten Polio-Subunit-Vakzine zeigte sich ein ähnlicher Effekt. Adjuventierte Impfstoffe (Tdap, tetanus-diphtherie-pertussis, HBV) und Lebendvakzine (Gelbfieber) hingen scheinen davon nicht beeinflusst.

Diese Arbeit erscheint mir als eine Schlüsselpublikation im laufenden Jahr auf dem Gebiet der Vakzinologie. Sie trägt nicht nur zu einem besseren Verständnis der physiologischen Abläufe nach einer Impfungen bei. Sie vermittelt gleichzeitig auch eine neue Dimension von Kollateralschäden unnötiger Antibiotikabehandlungen und zeigt zudem therapeutische Ansätze auf (z.B. Adjuventierung von Impfstoffen, Probiotika). Selbstverständlich sind die bisherigen Resultate aber nur ein erster Hinweis aus dem Tiermodell und müssen beim Menschen in Studien verifiziert werden.