Der Arzt als Oberkellner?

Die Beziehung zwischen Arzt und Patient verändert sich ständig. Bevormundete der Arzt früher den Patienten, ist dieser heute als Partner in der Wahl der Behandlungsmethode mitbezogen. Dieses Verhältnis thematisiert nun ein Artikel aus dem BMJ.In seinem Artikel „Stop sitting on the fence: recommendations are essential to informed decision making“ stellt Abeezar I Sarela die Frage, ob ein Arzt nur mehr die Rolle eines Oberkellners inne hat. Einem head waiter ähnlich zeige der moderne Arzt nämlich dem Patienten verschiedene Behandlungsmöglichkeiten auf, erläutere diese und empfehle eine davon. Sarela erinnert daran, dass der Arzt im Gespräch weder Zwang auf den Patienten ausüben noch ihn bevormunden darf und dass dessen Entscheidungsfreiheit unbestritten ist. Dennoch sei die Beziehung zwischen Arzt und Patient ungleich. Der Arzt verfüge über ein breites medizinisches Wissen auf aktuellem Stand, das es ihm erlaube, dem Patienten zu einer bestimmten Behandlungsmethode zu raten und allenfalls die Problematik eines seitens des Patienten gewünschten Vorgehens aufzuzeigen. Interdisziplinäre Boards belegten ausserdem, wie schwierig zuweilen die Wahl der besten Behandlungsmethode sein könne.
Wenn der Arzt dem Patienten eine gut verständlich und klare Empfehlung macht, dann zeugt dies von seiner Vertrauenswürdigkeit und seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem Patienten. Deshalb soll er nach jedem Aufzeigen von Behandlungsmöglichkeiten eine Empfehlung betreffend der besten Vorgehensweise abgeben – der Patient ist dann immer noch frei, diese zu akzeptieren oder abzulehnen. Wenn der Arzt Angst hat, seine Einschätzung klar darzulegen, dann kann dies ausserdem dazu führen, dass er den Patienten auf andere Art und Weise bewusst oder unbewusst zu beeinflussen versucht, mittels Körpersprache oder der einseitigen Präsentation von Fakten etwa. Empfehlungen verhindern diese eigentliche Manipulation des Patienten.
In einer Antwort auf Sarelas Artikel wird darauf hingewiesen, dass der Arzt seine Empfehlungen immer begründen soll. Ausserdem soll er während der gemeinsamen Entscheidungsfindung weniger das Funktionieren einer Behandlungsmethode aufzeigen, sondern vor allem herausfinden, welche Auswirkungen einer Behandlung der Patient bereit ist auf sich zu nehmen. Hat der Patient das Ziel um jeden Preis zu genesen, lautet hier eine der zentralen Fragen. Die gemeinsame Entscheidungsfindung ist auch ein Erkennen von Wertvorstellungen des Patienten.