Blutverdünnung – nicht alles wird einfacher!
Ein neues Medikament (Xarelto) wird hochgelobt, weil es die orale Antikoagulation („Blutverdünnung“) massiv vereinfachen soll. Doch aufgepasst: Wechselwirkungen sind immer noch zu beachten!Ein spannender Fall wurde kürzlich im Swiss Medical Weekly von Botond Lakatos et al. publiziert. Und zwar geht es um die stets leidigen Medikamenteninteraktionen wo (fast) schon jeder Mediziner in letzter Sekunde ein Rückzieher gemacht hat oder sogar darüber gestolpert ist. In diesem Fall geht es um die Interaktion von Rivaroxaban in Kombination mit einem Proteaseinhibitor bei HIV-Patienten.
Der neue Blutverdünner
Rivaroxaban ist ein oraler Xa-Inhibitor, der neben vielen anderen Indikationen auch zur Prävention von venösen Thromboembolien nach orthopädischen Eingriffen zugelassen ist. Der Vorteil des Medikamentes ist sicherlich, dass die (Routine) Monitorisierung der Antikoagulation wie beim Marcoumar entfallen und das Medikament als Tablette eingenommen werden kann und nicht subcutan gespritzt werden muss wie beispielsweise bei Heparin-Präparaten.
Immer Begleitmedikation beachten
Im geschilderten Fall wurde einem 52-jährigen Mann nach Operation einer Unterschenkelfraktur Rivaroxaban für 6 Wochen verordnet. Zusätzlich ist der Mann HIV + und hat (wegen HIV-Resistenzen) eine komplexe HIV-Therapie mit Darunavir/Ritonavir, Lamivudine, Tenofovir, Etravirine und Raltegravir.
Spiegelbestimmung nicht Routine
Wegen einer befürchteten Wechselwirkung wurde die Konzentration von Rivaroxaban im Blut kontrolliert. Da der Spiegel doppelt so hoch wie der „Zielwert“ war, wurde eine halbierung der Dosis empfohlen. Doch der Patient war jetzt bereits auf einer Auslandreise wo es zu einer blutigen Diarrhoe kam. Die Keimnachweise im Ausland waren negativ, trotzdem wurde bei Verdacht einer Reisediarrhoe ein Antibiotikum (Ciproxin) verabreicht. Nach sofortigem Stopp des ‚neuen‘ Medikamentes sistierten die Blutungen.
Komplexe Wechselwirkungen
Rivaroxaban wird in der Leber via CYP3A4 und CYP 2J2 (und weitere) abgebaut. Weiter wird es in der Niere durch die Transportproteine (P-gp und BCRP) ausgeschieden. Bekannt ist, dass Proteaseinhibitoren – insbesondere Ritonavir – starke Hemmer vom CYP3A4 und evt CYP 2J2 aber auch der Transportproteine P-gp und BCRP sind und somit sowohl der Abbau in der Leber als auch die Ausscheidung in der Niere von Rivaroxaban vermindert sind. Die Folge kann dann eine (schlecht voraussagbare) Wirkungsverstärkung der Antikoagulation („Blutverdünnung) sein.
Quintessenz
Bei jeder HIV-Threapie sind Wechselwirkungen immer zu prüfen. Dies gilt insbesondere auch für diesen neuen Blutverdünner. Auch wenn die Überwachung der Behandlung mit den bisherigen Mitteln (Vitamin-K-Antagonisten, z.B. Marcoumar) komplexer ist, so kann es allenfalls bei unklaren Wechselwirkungen einfacher sein, sich auf das Alt-Bewährte zurückzubesinnnen. Denn wenigstens wissen wir aus der Erfahrung sehr gut, wie wir die Wirkdosis von Marcoumar überwachen können.