Analkrebs bei HIV-positiven Männern: Screening für wen?

HIV-positive Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), erkranken gehäuft an Analkrebs. Gibt es Faktoren, welche die Entwicklung eines Analkrebs voraussagen können?

Bei HIV-positiven Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), ist das Risiko für Analkrebs deutlich erhöht. Screening auf Analkrebs bzw. dessen Vorstufen wird diskutiert. Problematisch ist dabei, dass der Screening-„Goldstandard“ (Direktbeurteilung der Schleimhaut mittels Anoskopie, ggf. mit Biopsie) recht aufwendig ist, hingegen einfach durchführbare oberflächliche Abstriche auf Zellveränderungen nur mässig verlässlich sind. Könnte man aus allen HIV-positiven MSM diejenigen selektieren und gezielt screenen, die ein besonders erhöhtes Risikoprofil aufweisen? Und wie definiert sich dieses erhöhte Risikoprofil?

Case-Control-Studie zeigt Risikofaktoren
Analkrebs-Patienten aus der Schweizerischen HIV-Kohorte (SHCS) wurden in einer Case-Control-Studie mit sonst ähnlichen (matched) Patienten ohne Analkrebs verglichen. Bei Anlakrebspatienten waren folgende Risikofaktoren gehäuft:

  • Rauchen (OR 2,6)
  • Nachweis von Antikörpern gegen HPV 16 (OR 4,5)
  • CD4-Nadir (tiefste je erreichte CD4-Zahl; OR 1,5 pro 100 CD4-Zellen unter 500)

Dabei zeigte sich der Einfluss tiefer CD4-Zellen am deutlichsten, wenn die Beobachtungszeit  nach CD4 Nadir schon länger (>6J.) war. (OR 14 für CD4 <200 versus ≥500, bei MSM sogar OR 29).

Wie im Editorial zum Artikel diskutiert, dürfte die eingeschränkte Immunabwehr über persistierende HPV-Infektion und Akkumulation von genetischen Schäden zu erhöhtem Dysplasierisiko führen. Die folgende Progression dürfte auch unter Rekonstitution des Immunsystems durch ART nicht aufzuhalten sein (was sich auch in der seit ART konstanten, möglichweise sogar gestiegenen Inzidenz von Analkrebs zeigt).

Helfen diese Faktoren, Patienten mit erhöhtem  Risiko zu selektieren?
Zur Selektion von MSM mit erhöhtem Risikoprofil können die erhöhten HPV-Antikörpertiter mangels Sensitivität und Praktikabilität nicht herangezogen werden; weitere Untersuchungen wurden im Editorial aber angeregt. Auch bei Kombination von CD4-Nadir ≤200/µl und einer längeren Zeitdauer seit Erreichen des Nadir muss bedacht werden, dass dies ein Screening für die Mehrzahl der MSM in der SHCS zur Folge hätte. Und dennoch würden 25% der Analkrebsfälle verpasst. Zusammen mit dem Alter (Analkrebs auch bei HIV-Patienten selten unter 35 J) und bei limitierten Screeningmöglichkeiten könnte die Kombination aber eine gewisse Rolle spielen.
Zur längerfristigen Vermeidung von Analkrebsrisiken scheint  bei HIV-Patienten schon die Vermeidung moderater Immunsuppression durch frühe Diagnose/ART sowie Vermeidung des Rauchens sinnvoll.

Kooperation Schweiz – Lyon
Die Arbeit entstammt einer Kooperation zwischen der SHCS und der „European Agency for Research on Cancer“ in Lyon und wurde im July im  „American Journal of Epidemiology“ publiziert. Aktuell hat das Journal diesen Artikel zu einem ihrer „Artikel des Jahres 2013“ gewählt. Die Erstautorin, Dr. Barbara Bertisch, ist Oberärztin in unserem Team. Herzliche Gratulation!