HIV/HCV-Koinfektion: Hepatitis C jetzt behandeln oder auf bessere Medikamente warten?

Das ist die Frage, die wir uns im Moment bei jedem koinfizierten Patienten stellen müssen.

Durch den neuen Therapiestandard bei HCV-Genotyp 1 (Tripletherapie mit Peginterferon/Ribavirin + Telaprevir oder Boceprevir) können schon heute deutlich mehr Personen mit chronischer Hepatitis C geheilt werden als bisher. Leider sind die Therapieregime kompliziert und die Behandlungskombination führt häufig zu erheblichen Nebenwirkungen. Bessere Medikamente diesbezüglich (Simeprevir, Faldaprevir, Sofosbuvir…) stehen kurz vor der Zulassung. Da bei dekompensierter Leberzirrhose eine Interferon-basierte Therapie kontraindiziert ist, stellt sich bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose und Zirrhose folgende Frage: Wie gross ist das Risiko, dass eine Interferon-basierte Therapie nicht mehr möglich sein wird, wenn aktuell nicht behandelt wird?

Jahrelang sind wir davon ausgegangen, dass das Fortschreiten der Lebererkrankung, die Fibroseprogression, bei Menschen mit HIV-Infektion deutlich rascher ist als bei HCV-Monoinfizierten. Neuere Studien zeigen aber, dass dies für Patienten unter wirksamer antiretroviraler Therapie nicht der Fall ist. So hat auch eine kürzlich publizierte Arbeit aus der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) gezeigt, dass sich unter cART die Biomarker der Leberfibrose (Hyaluronsäure, Cytokeratin-18 Fragmente,APRI-Score, FIB-4 Index) über längere Zeit (mittleres Follow-up: 6.25 Jahre) nicht signifikant änderte (J. Rohrbach et al., Antiviral Therapy 2013).

Eine spanische Kohorten-Analyse (J. Macias et al.) hat nun das Risiko einer Leberdekompensation bei 892 HIV/HCV-koinfizierten Patienten mit fortgeschrittener Leberfibrose (F3 und F4 nach Metavir) untersucht. Das Stadim der Leberfibrose warbei 317 Patienten mitttels Leberbiopsie (Bx) und bei 575 mittels Lebersteifigkeitsmessung (LSM) durch den Fibroscan bestimmt worden. Dabei wurden folgende LSM cut-off’s gewählt: F3-Fibrose: 9.5-14.5 kPA, F4-Fibrose=Zirrhose: >= 14.6 kPA.

Die Resultate sind in der Tabelle zusammengefasst:

 Leberdekompensation bei F3 Leberdekompensation bei F4
1 Jahr 1%  4% (Bx) bis 7% (LSM)
3 Jahre 2% (Bx) bis 3% (LSM) 13% (Bx) bis 17% (LSM)

Es besteht ein relevantes Risiko einer Leberdekomepesation innerhalb von 1 bis 3 Jahren für Patienten mit Zirrhose, aber auch Patienten mit Präzirrhose haben ein gewisses Risiko. In der Biopsie-Gruppe war der Fibrosegrad (F4 vs F3) der einzige Faktor, der mit Leberdekompensation assoziiert war, in der Fibroscan-Gruppe waren es der Fibrosegrad und die Thrombozytenzahl.

Fazit

Bei HIV/HCV-HIV-koinfizierten Patienten mit kompensierter Zirrhose soll mit einer Therapie nicht gewartet werden, sofern das Risiko einer schweren Komplikation nicht zu hoch ist. Eine Risikostratifizierung kann anhand der Tc-Zahl und der Albuminwertes erfolgen (Fontaine et al., EASL 2013). Auch bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose (F3) besteht ein Risiko einer hepatischen Dekompensation. Verzichtet man auf eine sofortige Therapie, würden wir eine engmaschige (3-6 monatlich) Kontrolle inkl. Kontrolle der Tc-Zahl und der Lebersteifigkeit mit Fibroscan empfehlen, um bei Hinweisen für eine Progression der Hepatopathie rasch mit einer HCV-Therapie starten zu können.

Macias J. et al.; CID 2013
Rohrbach J. et al.; Antiviral Therapy 2013