Unser Mikrobiom ein unbekanntes Wesen
Translokation und Rolle der intestinalen Microbiota?
Seit einiger Zeit schon ist das Thema Microbiota an Kongressen und in Publikationen verschiedenster Fachgebiete prominent präsent. In der Session 17 mit dem Titel Is Something Bugging You? wurde der Einfluss von intestinaler Microbiota auf die mikrobielle Translokation analysiert. Das derzeitige Wissen beschränkt sich v.a. auf tierexperimentelle Daten aus dem Modell SIV-Infektion in Makaken. Wie bei der Translokation ergeben sich aber auch hier pathophysiologische Hinweise auf die Situation der HIV-Infektion beim Menschen.
Probiotika und HAART?
Satya Dandekar aus Davis Kalifornien zeigte Daten zur mukosalen Immunantwort in Abhängigkeit einer veränderten intestinalen Microbiota. Sie erinnerte daran, dass die intestinale Zugabe von Salmonella typhimurium 10 Wochen nach Infektion mit SIV (Modell einer chronischen SIV-Infektion) zu einer raschen, systemischen Dissemination des Pathogens führt. Die schützende Th17-Immunantwort ist schon aufgrund der tiefen Helferzellzahl ungenügend (siehe Raffatellu, 2008, Nat Med). Im Modell einer akuten SIV-Infektion (2.5 Tage nach Infektion mit SIV) zeigten sich zwar noch normale Helferzellzahlen, bereits aber eine massive Immunaktivierung (IL-1β Signalweg) und Rekrutierung von Immunzellen sowie eine Verminderung der Integrität des Darmepithels (ZO-1, Claudin-1 vermindert exprimiert). Wurde nun Lactobacillus plantarum intestinal eingebracht, erschienen mehr schützende Th17-Zellen am Ort des Geschehens. Die Immunaktivierung zeigte sich hingegen deutlich reduziert und die Integrität des Darmepithels blieb erhalten. Jason Brenchley vom NIH ist für die intestinale mikrobielle Translokation gut bekannt. Er zeigte Hinweise auf einen möglichen Nutzen von Probiotika. Die Daten sind bereits publiziert (siehe Klatt, 2013, JCI). Zugabe von VSL#3® und Lactobacillus rhamnosus GG® im Modell einer SIV-Infektion bei Makaken unter antiretroviraler Therapie blieb zwar ohne Effekt auf die Viruslast. Dafür wurden die Erholung der Helferzellen, die Polyfunktionalität von Helferzellen, die Rekrutierung von antigenpräsentierenden Zellen, die Immunaktivierung und die Ausbildung von intestinaler Fibrose (Fibronectin) positiv beeinflusst. Das Fazit von Brenchley aufgrund dieser Daten erscheint mutig, denn der Benefit auf den Krankheitsverlauf durch Supplementierung von Präbiotika zu HAART bei HIV-Infektion sollte sicherlich primär im Rahmen von randomisierten und kontrollierten Studien erfolgen. Eine Arbeit aus San Diego Kalifornien gibt weitere Hinweise darauf, dass die Situation durchaus auf den Menschen übertragbar sein könnte. Bei 13 Patienten mit früher HIV-Infektion wurde die intestinale Microbiota untersucht und die Patienten mit einem grösseren Anteil an Lactobacillales hatten einen vergleichbaren, gesundheitlichen Benefit (Perez-Santiago #325).
Intestinales Virom als Prädiktor für den Krankheitsverlauf?
Scott Handley aus St. Louis Missouri zeigte eine weitere interessante Erkenntnis aus dem Bereich der intestinalen Microbiota. Nicht nur Bakterienpopulationen wurden im Darm von zwei Affenmodellen an zwei unterschiedlichen Orten untersucht.
Auf der Suche nach neuen Viren wurde deutlich, wie sich das intestinale Virom bei progressiver SIV-Infektion in Makaken massiv ausdehnt. Bei der grünen Meerkatze, die eine nicht-progressive SIV-Infektion zeigt, war diese Veränderung hingegen nicht nachweisbar (siehe nebenstehende Graphik). Mit der Ausdehnung des Viroms bei Makaken wurde auch eine Pathologie mit Epithelschädigung und systemischer Inflammation manifest. Daher ist die Frage berechtigt, ob bei der HIV-Infektion dieser Faktor neben der bakteriellen Translokation pathogenetisch nicht auch eine Rolle spielt? Ob sich auch diese Pathologie durch Probiotika beeinflussen lässt wurde bisher nicht untersucht.