Lektionen von Elite-controllers

Wir alle betreuen ein paar HIV-Patienten die als „Longtime Survivors“ oder „Elite Controllers“ gelten. Keine Therapie, kaum Virus nachweisbar, gute CD4-Werte. Was will man mehr!
Doch wir wissen, dass auch diese Patienten ein stark aktiviertes Immunsystem haben und damit ein erhöhtes Risiko für vorzeitige Alterung und Begünstigung einer Arteriosklerose. Hätten sie besser eine Therapie?

HIV-Therapie ohne Indikation?
In einer prospektiven Studie (Hatano et al, Abstr 75LB) hatte eine Gruppe von der UCSF 16 therapienaive (Elite-)Controllern eine HIV-Therapie angeboten. Die Probanden (Alter um 50, seit ca. 10 Jahren HIV+) hatten eine mediane Viruslast von 77 Kopien/ml und CD4-Werte um 600. Sie erhielten 24 Wochen lang eine ART mit RGV/TDF/ETC. Gemessen wurden HIV-RNA und -DNA in Blut und Rektumbiopsie sowie die Immunaktivierung (CD38+, HLA-DR+, CD4+ und CD8+).
Auch bei diesen Patienten konnte man mittels single-copy assay noch einen Abfall der HIV-RNA um 1.5 log messen. Die CD4 Werte blieben stabil, die zell-assoziierte mRNA sank in der Rektumbiopsie, nicht aber im Blut.

Immunaktivierung bei Elite Controllern (EC) senken!
Tatsächlich fand man bei allen Probanden und selbst bei EC eine Abnahme der Immunaktivierungsparameter.
Diese Resultate sind sehr interessant. Möglich, dass bei diesen Patienten mit stabilen CD4-Werten eben eine Virusvermehrung in der Darmschleimhaut persistiert und dass wir mit der Therapie die für den Langzeitverlauf vermutlich schädlichen Konsequenzen der Immunaktivierung mit einer Therapie mindern können.
Wenn wir nun beginnen, diese seltenen Personen auch noch zu behandeln, so weiten wir die Indikation der Therapie nicht wesentlich aus. Solange wir sicher sind, dass wir mit der Therapie keinen Schaden anrichten, wäre sie doch zu diskutieren.
Für uns Praktiker folgte in der anschliessenden Diskussion der Arbeit die für uns wichtigste Frage aus dem Publikum: Was geschah am Ende der 24 Wochen? 13 von den 16 Probanden wünschten, mit der ART fortzufahren!

Konsequenzen für das HIV-Management?
Sollen wir nun mit unseren Langzeit-Controllern über einen allfälligen Therapiebeginn sprechen? “Soll ich etwas tun oder soll ich nichts tun” ist jedenfalls nicht die richtige Frage: Wenn wir nichts tun geschieht nicht Nichts, sondern eine weitere Progression der vorzeitigen Alterung. Und bei einer allfälligen Therapie stellt sich dann auch die Frage, ob man nach dem Start auf eine vereinfachte Therapie umstellen könnte: Themen für weitere Forschungen!