Kardiovaskuläre Erkrankungen und HIV
Nachdem unsere Patienten durch erfolgreiche HIV-Therapie älter werden, rücken auch die klassischen Zivilisationskrankheiten wie kardiovaskuläre Erkrankungen mehr in den Fokus der Behandelnden. In den Jahren 1996-2006 betrug die kardiovaskuläre Mortalität 16% der nicht-AIDS-bedingten Todesursachen. Dieser Anteil wird in den nächsten Jahren sicher noch zunehmen (s. Abb.). Im Vergleich zu HIV-Negativen erkranken HIV-Infizierte fast doppelt so häufig an kardiovaskulären Erkrankungen wenn sie unter Therapie stehen.
Statine bei HIV-Infizierten
Bei Nicht-HIV-Infizierten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko oder kardiovaskulären Erkrankungen ist klar, dass der Einsatz von Statinen die Mortalität um ca. 10% senkt und das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse reduziert. Abgesehen vom cholesterinsenkenden Effekt scheinen antiinflammatorische und evtl. sogar antivirale Wirkungen dafür verantwortlich zu sein. Ob sich dieser Effekt auch bei HIV-Infizierten bestätigen lässt und ob in dieser Patientengruppe mehr unerwünschte Wirkungen auftreten, wurde diskutiert (Session 16). Es ist bereits bekannt, dass Simvastatin das am stärksten cholesterinsenkende Statin ist. Bei Patienten mit ART kann es jedoch aufgrund von Interaktionen häufig nicht eingesetzt werden. Auch finden sich bei HIV-Infizierten mehr unerwünschte Wirkungen wie Transaminasenanstieg und CK-Anstieg.
Zwei retrospektive Analysen (Abstr 764 und 765) untersuchten den Einfluss von Statinen auf die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität. Bei beiden war der Effekt auf die Gesamtmortalität bzw. non-AIDS-Mortalität bescheiden. Dies im Unterschied zu einer bereits veröffentlichten Studie der Johns-Hopkins-Universität, die eine Reduktion der Todesfälle unter Statinen beobachte. Der Grund ist wahrscheinlich, dass die Patienten mit höherem kardiovaskulären Risiko jeweils Statine erhalten, so dass Ihre Mortalität unter Statinen immer noch höher liegt als bei Patienten, die keine Indikation für lipidsenkende Therapie haben. Auch die Frage, ob Statine zu einer erhöhten Inzidenz von Diabetes führen, lässt sich in den hier präsentierten Studien nicht abschliessend beantworten: In Italien (Abstr 766) senken Statine das Diabetesrisiko, in USA (Abstr 767) tun sie das Gegenteil. Daten, die einen Einsatz von Lipidsenkern ausserhalb der gängigen Indikationen unterstützen würden, liegen bisher nicht vor.
Kardiovaskuläre Erkrankungen: Risikovorhersage und Outcomes
Erfreulich ist, dass das Risiko, einen Myokardinfarkt zu erleiden, nach Daten der D:A:D seit 1999 kontinuierlich sinkt. Doch nicht nur das: auch die 30-Tages-Mortalität ist kontinuierlich rückläufig (Abstr 748, s. Abb links). In der Regel liegen klassische Risikofaktoren für kardio-vaskuläre Erkrankungen vor, so dass es sich lohnt, diese zu erfassen und entsprechend zu behandeln. HIV-Infizierte werden zunehmend antihypertensiv und lipidsenkend behandelt, auch die Anzahl kardiovaskulärer Interventionen steigt signifikant. Wahrscheinlich sind diese Massnahmen und evtl. auch die veränderte ART für den Rückgang von Inzidenz und Mortalität verantwortlich.
Um die Vorhersage eines erhöhten Mortalitätsrisikos durch Bestimmung der Biomarker ST2 und NT-proBNP ging es in der Arbeit von P. Hsue (Abstr 749). Beide Marker werden bei Myokardschaden produziert und sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe lagen die Werte bei HIV-Infizierten höher, ST2 war mit dem CD4-Nadir und der HI-Viruslast assoziiert.