Hepatitis B – ein neuer Ansatz für ein grosses Problem

Im Rahmen des diesjährigen 23rd Challenge in Virology Meetings in Saanen war wieder einmal Hepatitis B an der Reihe. Ein wichtiges Thema, wie sich zeigte.

Ein neuer Rezeptor für eine neue Therapie
Einleitend erwähnte Stefan Urban aus Heidelberg die grosse Bedeutung der Hepatitis B weltweit. Nach Tabak ist HBV das zweithäufigste Carcinogen. Jedes Jahr versterben weltweit 1 Mio der insgesamt  400 Mio Menschen an den Folgen eines Leberkarzinoms oder Leberzirrhose. Am stärksten sind Menschen in Asien betroffen, wo HBV vorwiegend vertikal übertragen wird. Urban und sein Team haben praktisch gleichzeitig mit einer Japanischen Gruppe einen wichtigen Mechanismus des HBV-Replikationszyklus aufgedeckt: den Membranrezeptor für HBV.

HBV-Replikationszyklus
Das Hepatitis-B-Virus benutzt einen hochspannenden Replikationsweg (vgl. auch 8′ video auf youTube). Nach dem Einschluss des Virus in die Zelle wird die virale DNA in den Zellkern eingeschleust. Dort kommt es zur Transkription der DNA in eine mRNA, welche, wie üblich, zur Translation ins Cytoplasma gelangt. Spannend am HBV-Genom ist nun, dass die gleiche mRNA (auf 3 überlappenden orf) für drei Proteine kodiert. Zunächst werden HBV-core Proteine kodiert und eine HBV-eigene, reverse Transkriptase. Diese generiert dann die HBV-DNA der nächsten Generation von HBV-Viren, basierend auf der RNA-Vorlage. Die bisherigen Medikamente blockieren diese reverse Transkriptase. Das Problem dabei ist allerdings, dass dadurch die virale DNA nicht eliminiert wird. Nur selten (ca. 25%) findet sich nach Therapieabbruch eine vollständige Abheilung der Virusinfektion.

Neuentdeckung: Rezeptor
Neu beschrieben wurde nun ein Membranprotein im Replikationsprozess, welches offensichtlich als Rezeptor für die HBV-Infektion gilt. Aufgrund von Sequenzanalysen hat das Team von Urban eine kurze Peptidsequenz im Hepatitis-Virus identifiziert, welches völlig konserviert ist. Selbst bei Hepatitis-Viren anderer Spezies ist diese Peptidsequenz stabil. Ändert man eine Aminosäure, so ist das Virus inaktiv.
Diese Peptidsequenz, so vermuteten die Forscher, müsse wohl den Rezeptor erkennen. Und tatsächlich, zeitgleich mit dem Japanischen Team (Yan et al, eLife 2012) konnten sie nun zeigen, dass der NTCP-Rezeptor die Fusion der Zelle mit dem HBV-Virus ermöglicht. Beim NTCP-Rezeptor handelt es sich um eine Natrium-abhängige Pumpe, welche Gallenstoffe in die Gallenwege pumpt.

Wo ein Rezeptor, da ein Blocker
Mit der Verfügbarkeit einer Rezeptorsequenz ist der Schritt zur Entwicklung von blockierenden Substanzen vor der Tür. Urban hat nun ein Peptid synthetisiert, welches die Sequenz blockiert. Tatsächlich konnte er nicht nur zeigen, dass damit die HBV-Infektion vollständig blockiert werden kann. Positiv ist auch die Beobachtung, dass mit dieser Blockade die Gallenausscheidung nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Bei den wenigen Experimenten, die zur Zeit vorliegen, zeigte es sich, dass das Medikament recht gut vertragen wird und nur zu einem geringgradigen Anstieg von Gallensäuren führt. Offensichtlich sind alternative Wege vorhanden, welche die Leberzelle zur Ausscheidung von Gallensäuren verwenden kann.
Die Substanz wird zur Zeit mit Ärzten einer Klinik in Moskau weiter entwickelt. Vielleicht ein erster Schritt in eine neue Ära der Hepatitis B-Therapie.