Und immer noch werden HIV-Diagnosen verpasst!

Seit Jahren plädieren HIV-Spezialisten weltweit für eine konsequente Abklärung von Patienten mit viralen Krankheitsbildern auf HIV. Doch immer noch werden zu viele HIV-Primoinfektionen verpasst.

Richtlinien sprechen klare Sprache
Eigentlich wissen wir, wie wir HIV-Primoinfektionen verpassen könnten. Immer wenn ein Patient mit einem viralen Infekt zum Arzt kommt, sollte an eine HIV-Infektion gedacht werden. Wenn ein weiteres klinisches Zeichen (oder ein Laborbefund) vorliegt, muss zwingend immer eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden. Als zusätzliche Zeichen kommen z.B. in Frage: Hautausschlag, Tonsillitis, Ulceration im Mund oder Genitalbereich, Lymphknotenschwellung, starke Kopfschmerzen, atyp. Lymphozyten.

Pfeiffer’sches Drüsenfieber: Nie ohne HIV-Test
Das Krankheitsbild, das einer akuten HIV-Infektion sehr ähnlich sieht, ist das Pfeiffer’sche Drüsenfieber. Dies veranlasst viele Ärzte, bei solchen klinischen Zeichen einen Test auf Pfeiffer’sches Drüsenfieber (EBV-Antikörper) durchzuführen. Doch äusserst selten wird gleichzeitig auch eine akute HIV-Infektion gesucht.

Zahlreiche Studie haben nun schon in verschiedenen Settings darauf hingewiesen, dass wir in solchen Standardsitutationen immer einen HIV-Test durchführen sollten. Eine kürzlich publizierte Untersuchung aus London hat die Folgen unserer Nachlässigkeit untersucht.

In der Studie wurden Laborproben, die für die Durchführung eines EBV-Tests eingesandt wurden, anschliessend anonymisiert auf HIV untersucht. Insgesamt haben 72 Allgemeinpraktiker Proben von 1045 Patienten mit Verdacht auf Pfeifer’sches Drüsenfieber (EBV-Infektion) eingesandt. Die Praktiker haben nur bei 11% der Proben eine HIV-Diagnostik veranlasst, wobei diese bei 3 Fällen (2.5%) positiv ausfiel. Blut von 882 Patienten wurde dann anonymisiert untersucht. Bei diesen fand sich in 0.9% eine HIV-Infektion (6 neue Diagnosen). Bei 2 von 45 Patienten, die in den 12 Monaten nach der ersten EBV-Testung untersucht wurden, fand man auch noch eine Serokonversion.

Hohe HIV-Prävalenz rechtfertigt standardmässige HIV-Testung
Diese hohe HIV-Prävalenz (insgesamt 1.3% HIV-Diagnosen) bei Patienten mit EBV-Verdacht bestätigt frühere Untersuchungen, die alle auch eine Prävalenz zwischen 1-3% zeigen. Da Patienten mit HIV-Primoinfektion besonders hoch infektiös sind, ist diese Form der Frühdiagnose auch bezüglich Prävention von weiteren Infektionen besonders wichtig. In der zitierten Arbeit wurden immerhin 7 von 11 Patienten mit HIV-Infektion verpasst. Ein Umstand, der zu Denken gibt! Doch leider ist dies nicht nur in London so, auch bei uns wird immer noch Blut auf EBV untersucht, OHNE eine HIV-Testung durchzuführen.

Quelle: Hsu et al, HIV Medicine 2012