Molekulare HIV-Epidemiologie: Wichtig für Präventionsstrategien
Modernere Methoden der Epidemiologie verwenden immer mehr auch die Erbsubstanz von Erregern (Sequenzanalyse). Besonders bei HIV hat sich diese Methode gut etabliert. Eine neue Arbeit aus Irland bestätigt auch Schweizer Daten. Es zeigt sich ein klarers Bild der HIV-Epidemiologie.
Die Idee ist schon alt
Bereits vor 20 Jahren haben Telenti und Bodmer erstmals die Methode bei Tuberkulose angewandt (Lancet 1993). Über 160 Tbc-Keime aus dem Kanton Bern wurden sequenziert und die Analysen verglichen. Daraus ergab sich ein Cluster, für den anschliessend ein epidemiologischer Link nachweisbar war (Übertragung in einem Restaurant am Stammtisch). Die potente Methode wird nun vermehrt auch bei HIV angewendet.
HIV-Sequenzanalysen sind schon vorhanden
Besonders attraktiv für HIV ist die Tatsache, dass eine partielle Sequenzanalyse bei praktisch allen Patienten bereits vorliegt. Bei jeder frischen Infektion überprüfen wir die Resistenzsituation durch eine Sequenzanalyse. Durch computerunterstützte Analyse der Sequenzinformation lassen sich dann Verwandschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Virusstämmen und somit Übertragungswege vermuten.
Hilfreich für die öffentliche Gesundheit, selten aussagekräftig für den Einzelnen
Die Information, die sich aus dieser Analyse ergibt, ist meist hilfreich für das Verständnis der Ausbreitungswege von HIV, weniger für den Einzelnen. Denn im Einzelfall muss eine Verwandschaft nicht zwingend bedeuten, dass sich die beiden Personen mit dem ähnlichen Virus kennen. Sie können das Virus auch von derselben Person erhalten haben. Doch für die gesamte Bevölkerung und somit für die öffentliche Gesundheit sind die Aussagen wesentlich.
Wichtige Ausasgen für die HIV-Epidemiologie
Eine interessante Anwendung der molekularen Epidemiologie haben Autoren der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (www.SHCS.ch) bereits vor 2 Jahren publiziert. Für die Schweiz konnten Kouyos et al (JID, 2010) zeigen, dass sich die HIV-Epidemie bei uns praktisch nur unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) ausbreitet. Unter Heterosexuellen scheint sich die Epidemie (mindestens Subtyp B) hier nicht genügend auszubreiten, dass sie bestehen könnte. Eine ergänzende Untersuchung der SHCS hat dies auch für non-B Subtypen bestätigt (von Wyl et al, JID, 2011)
Auch aus England haben wir ähnlich interessante Erkenntnisse aus der molekularen Epidemiologie erhalten: hier zeigt sich, dass (unter MSM) die HIV-Ausbreitung meist in Mini-Ausbrüchen erfolgt (Lewis et al, PLOS Med 2008). Plötzlich tritt irgendwo wieder ein sog. "Cluster" (Ansammlung von verwandten Fällen) auf und dann bleibt es wieder still. Man vermutet, dass es sich dabei um eine Ausbreitung unter sog. "sex buddies" handelt. Männer, die feste sexuelle Beziehungen mit einigen Männern unterhalten, von denen sie wissen, dass diese auch HIV-negativ sind. Es entstehen dadurch kleine Netzwerke. Doch wenn in einem solchen Netwzerk plötzlich einer eine HIV-Infektion erleidet, dann können gleich sehr viele Partner im Netzwerk betroffen sein. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Infektion in der Frühphase sehr viel ansteckender ist, als Jahre später (vgl. unseren Bericht).
Studie aus Irland bestätigt frühere Daten
Nun hat eine Studie aus Irland (De Gascun et al, ARHumRet 2012) frühere Ergebnisse aus der Schweiz bestätigt. Auch in Irland scheint sich vor allem die Subtyp-B Infektion unter MSM auszubreiten, hingegen scheinen die anderen Virustypen bei anderen Risikogruppen keine Persistenz zu haben. Das bedeutet, dass auch hier die Übertragung von HIV vorwiegend unter MSM stattfindet und dass somit diese Personengruppe ein wichtiges Ziel für Präventionsbemühungen darstellen sollte.
Weitere Beiträge zum Thema: