ViiV: Rettungsversuch für Maraviroc
Im gegenwärtigen single Pill Hype steht nun ViiV in der erdrückenden Marktdominanz etwas mit dem Rücken zur Wand. Besonders ärgerlich, dass die an und für sich intelligente Substanz Maraviroc nie zum Zug kam. Dabei wäre die Pille, wenn sie nur nicht so verdammt teuer wäre, eine gut verträgliche Substanz, welche sich für die Langzeit-Maintenance bestens eignen würde (s. auch gute 5-Jahresdaten der Motivate-Studie TuPE029). In dieser Situation wäre es auch kein grosses Problem, einige Wochen auf die Resultate des Tropismus Tests zu warten. Denn für die Umstellung kann man sich ja Zeit nehmen. Einzig die Organisation wird entscheidend: Wir brauchen dann Plasma von der Zeit vor Therapiebeginn (oder verlassen uns auf die Analyse der proviralen DNA). Daher der nachvollziehbare Versuch der Firma, für Maraviroc einen Rettungsanker zu werfen. Unter uns: viel gescheiter würde man Maraviroc als PrEP entwickeln. Dort hat es unzählige Vorteile … aber wir werden ja nicht gefragt.
Rettungsanker Ritonavir Boosting für Maintennace
Einen solcher Rettungsversuch hat die Firma nun mit einer Kombination mit boosted Atazanavir ver-sucht (Mills et al, Abstract TuAB0102). Dies ist insofern raffiniert, da das ritonavir-boosting eine Dosierung von 1x 150mg pro Tag erlaubt, was die monatlichen Kosten für die Substanz gleich auf gut 600.- senkt (Vergleich Kivexa: 826.-). Dass ausgerechnet ViiV hier mit einer Nuke-Sparing Therapie voranprescht, ist interessant. Denn ausgerechnet die Nuke-Kombination von ViiV (Kivexa) hat sich durch das beste Verträglichkeitsprofil ausgezeichnet (keine mitochondriale Toxizität, keine Nephrotoxizität) und dürfte ja eigentlich mit aufrechtem Rücken auftreten. Nicht viele Substanzen behalten ihre gute Verträglichkeit bis zur Umstellung auf den Generika Markt. Möglich auch, dass gerade die drohende Generika-Einführung Motivator für diese Neuorientierung war.
Doch ungünstig am Vorgehen bei dieser Studie fand ich, dass die Firma a) das Regime zum Therapiestart einführte und b) die Wahl des Partners. Boosted atazanavir ist zwar ein solider PI, doch die Bilirubin-Erhöhungen und die Probleme mit Protonenpumperblocker verhindern doch die Behandlung bei einigen Patienten. Einfacher wäre sicher eine Kombination mit Darunavir gewesen.
Tatsächlich hat sich dies auch bei diesem „open-label Pilot“ (n=121) nach 96 Wochen bewahrheitet. Verglichen wurde MVC + ATV/r mit Truvada + ATV/r. Auffallend sind die Unterschiede je nach End-punkt. Im MVC-Arm haben nur 67% (vs. 82%) den <50 virologischen Endpunkt erreicht. Viele Patienten hatten offenbar eine VL zwischen 50-400, da der Unterschied mit diesem Endpunkt deutlich gerin-ger wurde (78% vs. 84%). In der Studie wurden zahlreiche weiteren Aspekte untersucht, insbesondere auch CD4-Anstieg und Aktivierungsmarker, doch alles ohne Unterschiede.
Es sieht so aus, dass die Firma den Rettungsanker nun noch weiter verfolgen will, jedoch mit Darunavir als Partner. Eine kleine unkontrollierte Studie (150mg MVC plus 800/100 DRV/r) im Rahmen der ACTG-Zentren hat erste (durchwegs positive) Erfahrungen bei 25 Patienten präsentiert (TuPE099).
…und auch GSK/ViiV entwickelt den Integrasehemmer
Natürlich sind die Firmen immer noch dran, weitere Medikamente zu entwickeln. Besonders attraktiv scheinen wegen der hervorragenden Verträglichkeit die Integrase-Hemmer. Da der aktuelle Standard Raltegravir mit der zweimal täglichen Dosis Potential für Verbesserung hat, haben einige Firmen diesen Wettlauf angetreten. Am weitesten ist Gilead (s. oben) dicht gefolgt von GSK. Der neue Integra-sehemmer darf sich zeigen lassen: In einer grossen Phase 3 Studie wurde der Dolutegravir mit Raltegravir (randomisiert, Placebo-kontrolliert) verglichen (THBLB04). Die Resultate sind rasch erzählt: Völlig identisch bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit mit Raltegravir. Der grosse Vorteil von Dolutegravir ist die hohe antivirale Potenz (50mg Dosierung!) und die Kinetik, die auch ohne Boosting eine einmal tägliche Dosierung zulässt. Auch hier die gleiche Frage wie schon für Gilead gestellt: Wird die Firma wenn es dann soweit ist – dem Preisdruck nachgeben und breit einsteigen oder wird die Substanz mit hohem Preis speziellen Indikationen vorenthalten bleiben. Sicher ein Potential für einen neuen Standard