Strategie Gilead: Die Single Pill Masche
Gilead setzt nun seit Jahren auf die Single Tablet Regimens (STR) und hat mit dem Kürzel STR auch noch gleich einen Begriff eingeführt, um dem Ganzen etwas Nachdruck zu verleihen. Mit Atripla hat diese Strategie einen Grosserfolg hinter sich. ÄrztInnen in aller Welt lassen sich davon überzeugen, dass Patienten nur das eine wollen. Und PatientInnen werden beworben, sie sollen sich doch nach dem Einen erkundigen. Eine durchaus erfolgreiche Strategie. Allerdings war das Vorgehen hier noch klar: Starten mit einer Pille, forever. Also noch keine Maintenance-Strategie.
Rilpivirine: der Ideale Sparingpartner für Truvada
Mit Rilpivirine hat Gilead nun einen neuen Partner entdeckt. Ein NNRTI, der eindeutig besser verträglich ist als Efavirenz (Bestandteil von Atripla). Doch im direkten Vergleich mit Efavirenz (ECHO und THRIVE Studien) war Rilpivirine in der Wirksamkeit unterlegen (Verträglichkeit besser), v.a. bei Patienten mit hoher Viruslast. Gezeigt wurde hier noch die Subgruppenanalyse der Patienten mit tiefer Viruslast (Abstract TUPE023). Doch in der Maintenance Situation ist dies natürlich ein idealer Partner, denn wenn die Viruslast einmal gut supprimiert ist, sind die kleinen Potenzunterschiede kaum noch relevant. Somit hat Gilead hier einen idealen Partner für einen Ersatz der ebenfalls eingemieteten Drittsubstanz (Efavirenz). Also wurde Rilpivirine nun mit TDF+FTC in einem STR angeboten.
Die Spirit-Studie (Abstract TUAB0104) will nun die Patienten unter einer PI/r basierten Therapie abholen und auf eine STR leiten. In dieser (2:1) randomisierten Studie wurden Patienten unter gut wirksamer PI-Therapie entweder identisch weiterbehandelt oder auf das Rilpivirine-TDF-FTC STR umgestellt. Die neue Behandlung zeigte verglichen mit der bisherigen Therapie eine identische Wirksamkeit und eine Verbesserung der Lipidwerte was die Autoren mit einer Optimierung der Framingham–Risikoscores dargestellt haben.
Die Vergleichsphase dauerte nur 24 Wochen, danach erhielten auch die PI/r-Patienten die neue STR Kombination.
Insgesamt war die Nebenwirkungsrate bis auf die genannten Lipidwerte vergleichbar. Allerdings fand sich bei den Ril/TDF/FTC-behandelten ein Abfall der globerulären Filtrationsrate. Die Autoren machten dafür eine Blockade der Creatinin-Sekretion im Tubulus durch Rilpivirin verantwortlich. Mit solchen Interferenzen zwischen Medikamenten und der Creatinin-Messung müssen wir uns in Zukunft noch vermehrt abgeben (s.u.). Interessant auch, dass Patienten, die die K104N-Mutation hatten mit der Rilpivirin-Kombination keinen Rebound hatten. Dies als Hinweis, dass diese EFV-Resistenz-Mutation die Rilpivirin Wirkung unwesentlich beeinträchtigt. Allerdings ist Maintenance nicht vergleichbar mit Induction!
Die neue Single Pill ist sicher ein einfaches Erhaltungsregimen. Leider noch mit Tenofovir, was doch längerfristig wegen der Nebenwirkungen für Nieren und Knochen nicht unbedeutend ist. Aber auch hier hat Gilead mit der TDF-Prodrug einen hervorragenden Ersatz im Köcher, wohl wissend, dass eine nephrotoxische Substanz längerfristig kein optimaler Therapiepartner sein kann.
Metananalyse findet keinen Vorteil für STR
Ist die so hoch gelobte und unter Ärzten wie auch in Patientenforen massiv beworbene Single Pill Regimen wirklich das A und O? In einem Poster wurde eine Metaanalyse zu dieser Frage präsentiert (Uthman et al, Abstract TUPE096). Insgesamt erfüllten 21 Studien mit knapp 7500 Patienten die Einschlusskriterien. Die Studie zeigte zwar sehr klar, dass die Adherence bei QD Einnahme (einmal täglich) besser war als bei zweimal täglicher (bid) Gabe. Insgesamt war die virologische Suppression aber gar nicht so viel besser bei QD gegenüber BID. Besser war es bei Patienten, deren Viruslast noch nicht supprimiert war bei der Umstellung. Hingegen fanden die Autoren bei Patienten mit QD-Regimen keinen Einfluss der Pillenanzahl auf die Wirksamkeit oder die Adherence. Tatsächlich entspricht dies auch unserer täglichen Praxis. Patienten, die eine einmal tägliche Therapie (unser Standard: Kivexa+Nevirapine) haben, berichten auch, dass es für sie überhaupt keinen Unterschied macht, ob sie eine oder zwei Tabletten einnehmen müssen, solange dies gleichzeitig erfolgen dürfe. Wissen Sie, geneigter Leser, wie viel Geld wir alle pro Jahr sparen, wenn wir einem Patienten zwei Tabletten (Kivexa+NVP) anstatt die gelobte Einzige Tablette abgeben? Nicht? Knapp dreimal so viel, wie der Patient der Krankenkasse an Selbstbehalt jährlich abgeben muss (CHF: 2930.-).
Cobicistat: Dem STR-Prinzip treu bleiben
Getreu dem Credo: Alles in einer Pille, hat Gilead auch seine Booster-Substanz Cobicistat weiter ent-wickelt. Der Ersatz für Ritonavir ist eine Notwendigkeit für Gileads STR-Strategie, wenn die neuen Integrasehemmer geboostet sein sollten. Die als „QUAD“ bezeichnete Kombinationspille mit dem In-tegrasehemmer Elvitegravir wurde bereits am CROI vorgestellt. In Washington wurde noch ein Sub-analysen vorgestellt (Viral load strata im Vergleich mit EFV: Poster TuPE028).
Cobicistat soll aber auch anderen Firmen als PI-Booster zur Verfügung stehen. Joel Gallant hat die Kombination mit Atazanavir (Studie 114 Abstract TUAB0103) vorgestellt. Im Wesentlichen wurden je 350 bisher unbehandelte Patienten (VL>5000, GFR>70!) entweder mit ATV/r + Truvada oder ATV mit dem neuen Booster Cobicistat verglichen. Die Hauptresultate finden sich in der Abbildung. Auch hier ist die Bilirubinerhöhung das grösste Problem unter den Nebenwirkungen. Ein Problem (ähnlich wie oben bei Rilpivirin geschildert) ist die Creatinin-Erhöhung unter Cobicistat. Wie auch bei anderen Medikamenten bekannt (z.B. Sufonamide) besteht eine Kompetitive Inhibition der Crea-Sekretion im tubulus durch Cobicistat. Dies führt zu einer Crea-Erhöhung, die jedoch NICHT Ausdruck einer glome-rulären Störung ist, im Gegensatz zur Tenofovir-assoziierten tubulären Schädigung. Daher ist es wichtig, dass wir nach einer Therapieumstellung mit solchen Medikamenten, einen Monat nach Therapieumstellung das Kreatinin messen und dies dann als („normalen“) Ausgangswert zur Beurteilung Veränderung der GFR benutzen. Eine Subanalyse nach Viralload findet sich im Poster TuPE043.
Elvitegravir Die nächste Generation Integrase Hemmer vor der Tür
Wir wollen hier nicht die grosse Vergleichsstudie von Elvitegravir unerwähnt lassen. Der neuen Integrasehemmer wurde mit dem gegenwärtigen Standard Raltegravir verglichen (Abstract TUAB0105). Elvitegravir muss zwar geboostet werden (hier mit einem PI nach Wahl) aber kann dafür im Gegensatz zu Raltegravir einmal täglich verabreicht werden. Die Studie war doppelblind, das heisst alle Patienten mussten zweimal täglich Medikamente schlucken. Die Resultate lassen sich einfach zusammenfassen: vergleichbare Wirkung, vergleichbare Nebenwirkungen. Kein Grund dem neuen Integrasehemmer schlechtere Noten zu erteilen. Gilead steht nun mit einem neuen sicher soliden Integrasehemmer vor der Markteinführung.
Mal sehen, wie sich die Preisvorstellungen entwickeln. Merck hatte – mindestens in der Schweiz – ein grosses Problem, weil der Preis bei der Markteinführung von Raltegravir mit 1500.-CHF/Monat exorbi-tant hoch war. Wir sind gespannt, inwieweit Gilead nun aus der Erfahrung für sich Lehren ziehen wird…..