Neuer Mechanismus für CD4-Zelltod vorgeschlagen

Gilad Doitsh vom Gladstone Institute in San Francisco hat eine hoch interessante These zur Zerstö-rung der CD4- Zellen vorgestellt (Abstr WEAA0204). Wir wissen ja eigentlich schon lange, dass der Verlust der CD4-Zellen im Blut nicht eine Folge der Infektion und Zerstörung der Zellen durch das Virus ist. Offenbar ist es das Immunsystem, welches die CD4 Zellen selbst abräumt. Bis jetzt galt vor allem noch die These, dass die Immunaktivierung, also der Alarmzustand des Immunsystems zur Selbstzerstörung dieser Zellen führt. Die oben genannte Mucosal Translation-Hypothese ist eine gute Begründung für die Immunaktivierung und die inflammatorischen Prozesse. Doitsh hat nun aber noch eine weitere Beobachtung gemacht, die auch als weiterer Mechanismus weiter verfolgt werden muss.

Seit gut 10 Jahren wissen wir, dass HIV – entgegen früheren Theorien – sich auch in ruhenden Zellen vermehren kann. Dies konnte man aber erst beobachten, als man diese „resting-T-Cells“ in Lymph-gewebekulturen, infiziert hat. Dabei wird ein Gewebegemisch von humanen Milz und Tonsillen Zellen in vivo infiziert (Eckstein, Immunology 2001). In diesen sog. „Human lymphoid aggregated cultures“ (HLAC) werden tatsächlich ruhende T-Zellen infiziert und auch zerstört.
Das Team von Doitsh hat nun solche HLAC-Kulturen verwendet und ein Kultursystem entwickelt bei dem sie den Zelluntergang von Infizierten Zellen per Flow-Cytometrie einfach messen konnten. Sie fanden, dass 95% der Zellen, die so absterben, gar nicht produktiv infiziert wurden. Nun haben sie in diesen Kulturen die HIV-Replikation an verschiedenen Stellen mit Medikamenten blockiert und machten eine Interessante Beobachtung. Die Zellen sterben nicht ab, wenn Fusionsblocker eingesetzt werden, also das Virus gar nicht in die Zelle eindringen kann. Sie sterben aber ab, wenn AZT, ein NRTI eingesetzt wird. Noch spannender aber die Beobachtung, dass die Zellen erhalten bleiben, bei der Behandlung mit einem NNRTI. Der Unterschied ist, dass unter AZT falsche Bruchstücke von DNA entstehen und bei Non-Nukleosid-Analoga gar keine DNA aus der viralen RNA transkribiert wird.

Die Autoren konnten schon zeigen, dass es tatsächlich virale DNA-Fragmente sind, die dazu führen, dass die Zellen zugrunde gehen. Die Autoren vermuten nun, dass es in der Zelle einen Mechanismus gibt, der fremde DNA als fremd erkennt und als Rettung vor dem Eindringlich die Zelle durch eine sog. Pyroptose in den programmierten Zelltod führt. Bei der Pyroptose kommt es zu einer sehr starken Immunaktivierung welche durch intrazelluläre Bildung von Aktivierungssignalen Caspase-1 und -3 sowie Interferon und IL-1 gekennzeichnet ist. Diese Zerstörung der Zelle lockt nun zusätzlich weitere Immunzellen ins Gewebe was erneut die Virusvermehrung vor Ort begünstigt, ein eigentlicher Circulus Vitiosus, wie nebenstehend gezeigt.
Sicher muss diese Beobachtung noch durch weitere Arbeiten bestätigt werden, doch insgesamt scheint diese pathogenetische Erklärung für die Zerstörung der Lymphocyten plausibel. Doitsh postuliert, dass die Entwicklung von Medikamenten, welche diese DNA-vermittelte Immunaktivierung blockieren, einen grossen Nutzen auf die HIV-Progression haben könnte.