Neue Medikamente, neue Ziele

Die Depotspritze – Therapie oder Prävention?

Vor einigen Jahren schon hat Janssen eine injizierbare Form ihres (sog. Long-Acting) NNRTI Rilpivirine vorgestellt (Baert et al, Eur J Pharm Biopharm, 2009). In den letzten Monaten wurde wieder mehr darüber gesprochen und zwar mit der Idee, die Substanz als Prä-Expositionsprophylaxe einzusetzen (s. BodyPro), nachdem am letzten CROI (Abstract 35) über die gute Penetration der Substanz in Genitalsekrete dokumentiert wurde.
Nun hat GSK die Idee auch aufgenommen und eine injizierbare Form ihres neuen Intergrasehemmer vorgestellt (TUPE040). Die Substanz S/GSK1265744, oder kurz GSK-744, zeichnet sich aus durch die schlechte Wasserlöslichkeit. Daher kommt es nach intramuskulärer Injektion zu einer sehr langsamen Resorption. Beeindruckend jedoch die hervorragende Wirksamkeit der Substanz als Monotherapie (phase I – Dosisfinding study) bei oraler Abgabe (s. nebenstehende Abb.). Nach 10 Tagen Monotherapie mit 5mg (resp. 14 Tage 30mg) findet sich ein Abfall der Viruslast um 2.5 log10. Eine solche starke Wirkung einer Monotherapie ist unübertroffen. Interessant sind aber die Kinetikdaten bei gesunden Probanden mit der injizierbaren Form von 744. Eine einzelne i.m. Injektion von 800mg führte zu einem Plasmaspiegel nach 10 Tagen 21-mal über der Protein-korrigierten IC90 Konzentration und selbst nach vier Wochen war der Spiegel noch 14-mal höher als die IC90. Die Firma möchte die Substanz nun mit einer Ladedosis von 800mg i.m. und dann monatlichen Injektionen von 200-400mg weiter testen. Die Verträglichkeit – wie von Integrasehemmern erwartet – war sehr gut. Im Vordergrund standen Schmerzen/Rötung an der Injektionsstelle (Grad 1) von einigen Tagen Dauer. Die anderen NW waren nicht häufiger als bei Placebo.

Auf jeden fall eine interessante Substanz. Doch besonders attraktiv dürfte die Substanz für die Pro-phylaxe werden. Aufgrund der vorliegenden Kinetik-daten könnte ich mir auch vorstellen, dass für die Prophlyaktische Anwendung eine Injektion alle 3 Wochen ausreichen würde (s. Abb. rechts). Eine solche PrEP wäre viel weniger anfällig auf Adherence, hätte – da gut kontrollierbar – keine Probleme mit Schwarzmarkt und wäre auch in Bezug auf das Nebenwirkungspotential sicher ideal. Doch im Moment will die Firma die Substanz für die Therapie weiter entwickeln. Auch das ist ein interessanter Aspekt. Sicher als Erhaltungstherapie ein grosses Potential. Ich denke, viele Patienten würden sich gerne einmal alle 1-3 Monate eine Spritze machen lassen, wenn sie dann dazwischen gar keine Medis mehr einnehmen müssen. Zukunftsmusik? Nein, keineswegs. Die Firma plant bereits eine Studie in diese Richtung gemeinsam mit dem long-acting Rilpivirine, die sog. „LATTE“-Study. Hier soll in einer Dosis-Findungsstudie, kombiniert mit 2 Nukes, nach einer Induktionsphase (Kontrollarm EFV) eine Erhaltungstherapie mit GSK-744 und LA-Rilpivirine i.m. während 48 Wochen verglichen werden. Wir dürfen gespannt sein.

LEDGINS – ein neues Kleidungsstück oder HIV-Therapieprinzip?

Frauke Christ aus Belgien präsentierte eine Arbeit zu einem möglichen neuen Ansatz zur HIV-Therapie(TUAA0301). Die Gruppe hat Inhibitoren des LEDGF/p75 entwickelt. Lens epithelium-derived growth factor (LEDGF/p75) ist ein zellulärer Kofaktor, der einen falschen Namen trägt. Denn das Protein ist in fast allen Zellen vorhanden. HIV benutzt das Protein, denn es verhindert, dass der Integrasekomplex durch Proteasen abgebaut wird (Llano et al, LBC, 2004). Wird LEDGF in Knock-out Mäusen blockiert, wird die HIV-Integration völlig blockiert. Da wir nicht Mäuse sind, hat die Gruppe nun kleine Proteine entwickelt, sog. LEDG-Inhibitoren, oder LEDGINs, welche den LEDGF-Faktor hem-men. LEDGINs wirken im subnanaomolaren Bereich und haben eine hohe Resistenzbarriere. Das hoch spannende an diesen Substanzen ist, dass sie nicht nur die Integrase hemmen, sondern offenbar durch eine allosterische Inhibition verhindern, dass die HIV-protease das GAG-precursor-Protein aufspalten kann. Durch die Hemmung der Wirkung der Protease können keine Infektiösen Viren mehr entstehen, was in der nebenstehenden Abbildung dargestellt ist. Infizierte Zellen, die mit dem reinen Integrasehemmer Raltegravir behandelt wurden (rot) bilden in Kultur uneingeschränkt infektiöse Viren (publiziert in Christ et al, AAC, 2012).