Messung der HIV-Viruslast: Zeitfaktor wichtig
Wir haben immer wieder Patienten, bei denen die Messung der HIV-Viruskonzentration (HIV-RNA) einen Wert ergibt, der leicht oberhalb der Nachweisgrenze liegt. Dies verunsichert viele Patienten. Zu unrecht, wie wir erneut betonen….
Zahlen interpretieren!
Eine Zahl, schwarz auf weiss, wird oft als bare Münze genommen. Doch so einfach sind die Verhältnisse in der Biologie nicht. Auch bei der Messung der Viruskonzentration im Blut von HIV-Patienten unter einer Therapie ist das nicht anders. Die Patienten wünschen sich das Laborresultat "Nicht nachweisbar". Tatsächlich wird das Resultat in den meisten Fällen auch erzielt. Doch nicht selten findet sich ein Resultat mit 38 oder 74 oder gar 189 kopien/ml. Was bedeutet das? Drama?
Nein, wir wissen schon seit 10 Jahren aus einer Arbeit der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (Greub et al, 2002), dass ein Virusanstieg bis 200 kop/ml meist ein Einzelwert ist, der keine Konsequenzen hat und dass das Risiko einer wirklichen Resistenzbestimmung erst kommt, wenn die Viruslast über 200 ansteigt.
Nun hat eine interessante kleine Arbeit aus New York mit dem neuen PCR-Verfahren den Einfluss der Lagerungs-Zeit vor der Verarbeitung der Probe untersucht. Wenn Blut als Vollblut gelagert wird, können HIV-infizierte Zellen in der Probe noch HIV-Viren produzieren, die sich dann in der Blutprobe nachweisen lassen. In der Versuchsphase haben die Autoren von denselben Patienten ein Vollblut-Röhrchen nach 4 und das zweite nach 28 Stunden zentrifugiert.
Resuttat augenfällig
Die Autoren haben einen deutlichen Unterschied dokumentiert (s. nebenstehende Abb.). Wird das Blut innert 4h zentrifugiert, findet sich sehr selten ein Wert über 40 Kop/ml (nie über 200!). Wartet man mit der Zentrifugation einen Tag, so finden sich höhere Werte, ja sogar relativ häufig über 400 kop/ml. Wir dürfen davon ausgehen, dass auch bereits nach 4 Stunden ein Teil des nachweisbaren HIV-RNA erst im Röhrchen aus den Lymphocyten ausgetreten ist.
Kommentar / Schlussfolgerung
Grundsätzlich sollte Blut zur HIV-RNA Bestimmung unmittelbar nach der Entnahme zentrifugiert werden. Findet sich eine leicht erhöte Viruslast (bis 400 Kopien / ml) sollte nach wie vor noch kein Therapiewechsel vorgenommen werden, sondern nicht-virale Ursachen für die Erhöhung untersucht werden. Neben Fragen der Adhärenz, der Verdauung (Protonenpumpen-Hemmer?), sollte eben auch die korrekte Handhabung der Blutprobe vor Laborversand überprüft werden. Eine Wiederholung der Messung ist sicher bei Werten ab 200/ml zu erwägen.
Quelle: Portman et al, HIV Medicine 2012