Gonorrhoe auf dem Vormarsch!

Die Gonorrhoe (auch Tripper genannt) ist eine grosse, gesundheitspolitische Herausforderung. Einerseits aufgrund der hohen und zunehmenden Inzidenz, andererseits durch die rasche Zunahme und Ausbreitung von resistenten Stämmen. Deshalb wurde dieses Jahr ein globaler Aktionsplan der WHO erlassen. Warum können sich resistente Keime so rasch ausbreiten? Eine kürzlich publizierte Studie befasst sich mit dem Thema von Resistenzen und deren Einfluss auf die Gonokokken.

Was ist die Bedeutung der Gonokokken?

Gonorrhoe, ist weltweit eine der häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Der verursachende Keim, Neisseria gonorrhoeae, kommt in Schleimhautsekreten infizierter Personen vor und wird bei ungeschütztem oralen, vaginalen und analen Geschlechtsverkehr übertragen. Die früherere Standardtherapie mit Ciproxin wurde vor einigen Jahren wegen der sehr raschen und globalen Resistenzentwicklung durch Ceftriaxon abgelöst.
Nun wurde aber Anfang des Jahres vor Ceftriaxon-resistenten Isolaten im Westen der USA gewarnt (vgl dazu den Artikel auf Infekt.ch: Hartnäckige Gonokokken aus dem wilden Westen), welche nun auch in Europa (Frankreich, Norwegen, Schweden, Grossbritannien) gemeldet wurden.
Generell wird angenommen, dass die Resistenzentwicklungen eines Bakteriums auf Kosten der "Fitness" gehen. Aber warum hat sich dann die Chinolonresistenz so rasch auf der ganzen Welt verbreitet? Dieser Frage ging eine kürzlich erschienene Studie nach.

Wie werden Gonokokken auf Ciproxin resistent?
Die Resistenzentwicklung erfolgt in zwei Schritten. Der Wildtyp ist Ciproxin-sensibel (CIP-S). Unter dem Selektionsdruck von Chinolonen finden initial Mutationen in einem ersten Gen (der DNA Gyrase) statt, was zu einer erhöhten Toleranz von Ciproxin führt; das Ciproxin wirkt nur noch intermediär (CIP-I). In einem zweiten Schritt mutiert ein anderes Gen (die Topoisomerase IV), was dann zu einer vollständigen und klinisch relevanten Resistenz führt (CIP-R).
Eine Forschergruppe aus den USA hat Resistenzgene für Chinolone in einen Wildtypen von Gonokken ohne Resistenzen eingebracht. Somit konnten die Eigenschaften des Wildtyps (CIP-S) und der neu entstandenen Stämme CIP-I und CIP-R in vitro und in vivo verglichen werden.
 
Resultate der Studie
Unter Laborbedingungen konnte sich der Wildtyp (CIP-S) am schnellsten vermehren, wobei eine Mutation (CIP-I) noch keinen signifikanten Einfluss auf das Wachstum hatte. Der Stamm CIP-R mit Mutationen in beiden Genen konnte sich aber nur noch deutlich langsamer vermehren. Somit demonstrierte sich ein Fitnessverlust des resistenten Bakteriums, so wie man es erwarten würden.
Im Tiermodell zeigte sich dann aber ein anderes Bild: in der Infektsituation konnte sich der Stamm CIP-I mit einem mutierten Gen viel stärker vermehren als der Wiltyp CIP-S. Erstaunlicherweise führte eine Mutation, welche eigentlich nach unserer Vorstellung nur in Anwesenheit des Antibiotikums Ciproxin zu einem Vorteil verhelfen sollte, zu einem zusätzlichen, unbekannten Wachstumsvorteil. Der CIP-R Stamm mit zwei mutierten Genen konnte sich auch im Tiermodell nicht gegen die anderen Stämme behaupten.
 
Was kann aus den Resultaten geschlossen werden?
  • Obwohl resistente Mutanten in vielen Fällen einen ‚Fitnessverlust‘ gegenüber dem Wiltyps eines Bakteriums zeigen, können auch Mutanten induziert werden, die einen Überlebensvorteil in vivo haben
  • Die Studie konnte dies anhand eines vereinfachten Tiermodelles mit Ciproxin-intermediär resistenten Gonokokken zeigen. Diese Mutanten konnten sich im Tiermodell gegen eine Gonokokken-Infektion besser behaupten als der Wildtyp
  • Somit könnten sich theoretisch intermediär Ciproxin-resitente Gonokokken auf der ganzen Welt verbeitet haben, einerseits weil effizienter in der Infektion und zusätzlich begünstigt durch den freizügigen Ciproxineinsatz weltweit
  • Diese Ciproxin-intermediären Gonokokken würden das Reservoir für vollständig Ciproxinresistente Stämme darstellen: unter Therapie mit Ciproxin (und anderen Chinolonen) genügt dann eine einzige Mutation für eine vollständige Resistenz!

Quelle: Kunz et al, Impact of fluoroquinolone resistance mutations on gonococcal fitness and in vivo selection for compensatory mutations, JID 2012