Eine Verlängerung der präoperativen Prophylaxe bringt keinen Nutzen…

…keine neue Erkenntnis, aber steter Tropfen höhlt den Stein!

Wundinfektion als häufige Komplikation
Wundinfektionen gehören zu den häufigen Komplikationen bei grossen, chirurgischen Eingriffen. Dabei geraten Hautkeime beim Hautschnitt in die Operationswunde. Dies kann auch eine sorgfältig durchgeführte, präoperative Vorbereitung und Desinfektion des Operationsgebietes nicht verhindern. Eine kurz vor Operationsbeginn verabreichte Antibiotikagabe hingegen kann das Risiko einer Wundinfektion wirksam senken und hat sich daher gut etabliert. Nach dem Motto: "Mehr ist besser" wird bei grösseren Eingriffen die Antibiotikagabe gerne noch etwas ausgeweitet. Sinnvoll?

Prospektiv untersucht
Ein Japanisches Chirurgenteam hat diese Frage in einer gut konzipierten, randomisierten Studie an 355 Patienten untersucht (Imamura, Lancet ID, 2012). Untersucht wurde die Rate von surgical site infections (SSI) bei Patienten, bei denen aufgrund eines Malignoms eine distale Gastrektomie durchgeführt wurde. Die Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert:

  • einmalig 1 gr Cefazolin vor Schnitt, oder
  • dieselbe Substanz vor Schnitt, nach Wundverschluss und für weitere 2 Tage postoperativ 2 x tgl.

Mehr ist nicht immer besser
Um es vorweg zu nehmen: die Resultate der als non-inferiority Trial geplanten Untersuchung zeigen, dass es keinen Unterschied in der Rate der SSI gibt. Patienten, die eine einmalig applizierte Prophylaxe erhielten, hatten in der Folge in 5% eine SSI; die Gruppe mit verlängerter Antibiotika-Gabe aber in 9%.
Sogar in der Subgruppen-Analyse von Patienten mit hoher Risikokonstellation fand sich kein Benefit einer Verlängerung der antibiotischen Behandlung.

Als Risikofaktoren für das Auftreten einer SSI gelten u.a Adipositas, Malnutrion, Transfusionen und die OP-Zeit.
Die Ausdehnung der antibiotischen "Prophylaxe" bringt aufgrund dieser Untersuchung keine Vorteile sondern nur potentielle Nachteile mit sich:

  • Erhöhung der Kosten
  • Erhöhtes Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen
  • Förderung der Entwicklung von Resistenzen
  • Seleketion von Keimen
  • Erhöhtes Risiko für Clostridienkolitis

Kommentar
Die gut gemeinte Ausweitung einer etablierten Therapie ist nicht immer sinnvoll. Am Beispiel der SSI zeigte sich hier deutlich, dass der entscheidende Schritt die Antibiotika-Gabe VOR dem Eingriff ist. Das ist echte Prophylaxe. Später verabreichte Antibiotika-Gaben – als Frühtherapie gedacht – sind offenbar sinnlos. Das Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, gerade bei standardmässig durchgeführten Massnahmen die wissenschaftliche Evidenz unserer Massnahmen zu überprüfen.

Quelle: Imamura et al., Intraoperative versus extended antimicrobial prophylaxis after gastric cancer surgery. Lancet Inf. Dis. 2012