Akutbehandlung der HIV Primoinfektion – doch wichtig?
Bis heute kann niemand schlüssig sagen, dass wir zum Zeitpunkt der Diagnose einer akuten HIV-Infektion (Primoinfektion) sofort mit der Behandlung beginnen sollten. Doch immer mehr spricht dafür….
Randomisierte Studien, welche diese Frage schlüssig beantworten, gibt es nicht. Somit fehlen auch klare Richtlinien, was im Falle einer akuten HIV-Erkrankung zu tun ist. Doch viele Argumente sprechen dafür. Wenn man ganz früh mit einer Therapie beginnt, kann das Immunsystem in einem besseren funktionellen Zustand erhalten werden. Doch in letzter Zeit häufen sich Hinweise, dass auch eine allfällige Heilung von HIV, sollte dies je einmal möglich sein, bei Patienten, die einen sofortigen HIV-Therapiebeginn hatten, viel wahrscheinlicher ist.
Latent infizierte Zellen – Ein groses Reservoir
Grund für die Hoffnungen geben Studien, welche die Zellen untersuchen, welche das eigentliche Reservoir für HIV infizierte Zellen bilden, die sogenannt latent infizierten T-Zellen. Es handelt sich um Helferzellen, welche in einen inaktiven "Gedächtnis-Zustand" wechseln. In diesem Zustand vermehren sie sich zwar nicht, bleiben praktisch stumm, können aber irgendwann einmal wieder zum Leben (und zur Vermehrung von HIV-Viren) erwachen. Solange jemand unter Therapie steht, passiert nichts. Die Zelle geht zugrunde. Es gibt nun Modellberechnungen, die davon ausgehen, dass nach genügend langer Behandlung dieser Zellpool erschöpft ist und keine neuen Infektionen mehr angehen können. Je kleiner die Anzahl HIV infizierter latenter Zellen, desto geringer die Zeit, die man – theoretisch – behandeln muss.
HIV-DNA als Mass für die latent infizierten Zellen
Diese latent infizierten Zellen zu messen ist aufwändig. Doch ein einfacheres Verfahren ist die Bestimmung der gesamten HIV-DNA in den Lymphozyten. Unsere Zürcher Kollegen haben nun bei Patienten, die eine HIV-Therapie der Primoinfektion einnahmen, die Therapie dann aber abgesetzt hatten, die HIV-DNA Konzentration gemessen. Und zwar vor Absetzten der Therapie und nach einem Jahr ohne Therapie.
HIV-DNA – Konzentration rückläufig
Was nun eindeutig gezeigt wurde, dass die Konzentration von HIV-DNA im Blut nach Therapiebeginn rasch zurückgeht (um ca. einen Faktor 10) um dann nur noch leicht abzufallen (Abb. rechts). Nach Absetzen der Therapie kommt es erwartungsgemäss zu einem Anstieg der HIV-DNA im Blut, sodass nach ca einem Jahr fast die Konzentration erreicht ist, welche bei einer Kontrollgruppe von chronisch infizierten Patienten gefunden wurde. Die Konzentration liegt hier etwa einen Faktor 10 höher (1 log10) als bei den Patienten, die sehr früh in der Primoinfektion behandelt wurden.
Dass dieser Vorteil allenfalls nicht nur theoretisch sein dürfte, hat eine Beobachtungssserie aus Frankreich letztes Jahr gezeigt (Hocqueloux et al, AIDS 2010): In dieser Serie von 32 während der akuten HIV-infektion behandelten Patienten hatten beim Absetzen der Therapie 4-8 Jahre später sechs Patienten eine anhaltende HIV-Remission. Das heisst, bei diesen blieb das Virus im Blut auch 2 Jahre nach Absetzen der HIV-Therapie nicht nachweisbar. Grund zur Hoffnung!
Unser Kommentar
Wie erwähnt, gibt es keine definitiven Empfehlungen, wie bei einer akuten HIV-Infektion vorzugehen ist. Doch wir halten fest an unserer alten Empfehlung: Eine HIV-Primoinfektion behandeln wir als infektiologischen Notfall. Gelegentlich beginnen wir sogar, bevor das Resultat des HIV-Bestätigungstests vorliegt. Denn später kann der Patient, nachdem er sich ausführlich informtiert hat, die Therapie jederzeit wieder absetzten. Doch wenn er sich erst Wochen später zur Therapie entscheidet, sind alle theoretischen Vorteile einer Frühtherapie verflogen.
Quelle: Von Wyl et al, PLoS one, November 2011
Weitere Beiträge
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- Latent infizierte Zellen Die Widersacher der Heilung (ICAAC 2010)