Revue und Ausblick in die Entwicklung von Impfstoffen

Rino Rappuoli ist ein Forscher, der bei Novartis angestellt ist und bereits seit 30 Jahren die Impfstoffentwicklung prägend mitbestimmt. Er fasste die Möglichkeiten und Grenzen der Impfstoffentwicklung zusammen.

Zu Zeiten Pasteurs wurden zur Vakzineherstellung die Erregerisolation – Inaktivierung und Injektion – notwendig. Inaktivierung eines Erregers bedeutet Abtötung, lebende Attenuierung oder Zerstückelung („subunit“). Als Beispiel eines lebend attenuierten Impfstoffs gilt bekanntlich die Polio-Schluckimpfung. Die heute zur Verfügung stehenden Technologien zur Vakzineherstellung sind: rekombinante DNA, Glykokonkugation, „reverse vaccinology“ Dementsprechend sind künftige Impfungen recombinate Hepatitis B, azelluläre Pertussis, Glyco Hib etc.

Aber nicht nur die Technik ändert sich. Auch das Zielpublikum wandelt sich: Bisherige Impfstrategien sind vorwiegend auf Kinder ausgerichtet. Die Altersstruktur zeigt aber in die andere Richtung: viele Erwachsene, sehr viele mit höherem Alter. (Z.T. künftig zu entwickelnde) Impfstoffe für Erwachsene könnte bedeuten, gegen CMV, Gruppe A Streptokokken, Candida, e. coli, Staph. aureus, C. diff. und Carzinome wie Brustkrebs, Colorectal und Prostata zu impfen. Danebst könnten auch Vakzine für gewisse Populationen entstehen (chronische Erkrankungen, unter der Armutsgrenze Lebende, Reisende…).

Rappuoli präsentierte noch einige konkrete Beispiele:

  • Konjugatsvakzine: Die Technologie der Konjugierung kam erst in den 90er Jahren mit der Meningokokken-Impfung gegen die Typen A, C, W und Y auf. Allerdings kann mit dieser Technik bis heute kein Impfstoff gegen Typ B entwickelt werden, da die Kapsel von Men B gleiche Sequenzen wie eine Polysacharidase des menschlichen Gewebes aufweist. In Entwicklung ist aber beispielsweise eine Konjugatimpfung gegen Salmonella typhi, die (da rel. kostengünstig) in nicht industrialisierten Ländern eingesetzt werden könnte.
  • „Reverse vaccinology“: Mit dieser Art von Vakzine ist eine Impfung gegen Meningokokken Typ B entstanden. Beschreibung der Methode: das Genom des Erregers wird typisiert. Dann versucht man herauszufinden, welche Gene die grösste Antigenizität besitzen. Bisher wurden bei Men B 30 Gene mit hohem Antigen-Potential identifiziert. Es existiert nun bereits eine mit 3 Antigenen hergestellte Impfung, die im Jahre 2000 durch Pizza et al. (Science 2000 Mar 10;287(5459):1816-20) beschrieben und seither erfolgreich getestet wurde. Es ist damit zu rechnen, dass der Impfstoff nächstes Jahr die Zulassung erhält. Mit der „reverse vaccinology“ sind grundsätzlich auch Impfungen gegen Malaria, Yersinia, C. diff und Pseudomonas konzipierbar.
  • Die Wirkungssteigerung eines Impfstoffes kann bekanntlich durch die Adjuventierung (MF 59) erreicht werden: hiermit ist die in den 90er Jahren entwickelte, dem Impfstoff beigegebene Emulsion aus Öl in Wasser gemeint, die als Bestandteilte Squalen, Polysorbat und Sorbitantrioleat enthält. MF 59 wird in gewissen H1N1-Impfstoffen eingesetzt. Durch die Adjuventierung wurde z.B. bei Fluad® eine Steigerung des Impferfolgs von 36 auf 89% (über alle Altersgruppen) erreicht.