Erhöht ein Tripper die HIV-Übertragungsrate?
Wir wissen schon seit vielen Jahren, dass Geschlechtskrankheiten, vor allem Syphilis, Tripper und Chlamydien Wegbereiter für eine HIV Übertragung sind. Gilt dies auch für die Situation unter einer gute HIV-Therapie? Möglicherweise nicht, wie eine soeben publizierte Studie vermuten lässt.
Geschlechtskrankheiten führen zu Entzündungsreaktionen in den Geschlechtsorganen. Dadurch gelangen Entzündungszellen in die Schleimhaut. Dies erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass man HIV-Virus in den Sekreten nachweisen kann, es erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Zielzellen für das HIV-Virus (CD4-Zellen) in der Schleimhaut mit HIV-Virus vom Partner in Kontakt kommen.
Seit bald vier Jahren schon gilt in der Schweiz das EKAF-Statement, oder "Swiss-Statement", welches sagt, dass unter optimalen Bedingungen, das Risiko einer sexuellen HIV-Übertragung verschwindend klein sei. Zu diesen optimalen Bedingungen gehören (u.a.):
- Eine gut durchgeführte Therapie ohne nachweisbares Virus im Blut
- Kein Vorliegen einer aktiven sexuell übertragbaren Infektion
- eine stabile und regelmässige Tabletteneinnahme
Die EKAF hat in Ihrer Empfehlung nicht behauptet, dass das Risiko beim Vorliegen einer Geschlechtskrankheit erhöht sei! Das Statement besagte mangels weiterer Daten nur, wenn es eine Situation mit einem theoretisch erhöhten Risiko gäbe, so würde man dies beim Vorliegen von einer Geschlechtskrankheit erwarten. Ein Mann, der eine symptomatische Infektion hat, wird in den meisten Fällen zum Arzt gehen. Die Frage stellt sich aber, ob eine Infektion, die KEINE Symptome verursacht, ebenfalls die Infektionsrate erhöhen kann.
Die Studie
Nun haben Autoren vom CDC eine Arbeit publiziert, die der Frage der erhöhten Ausscheidung von HIV unter einer gut supprimierten Therapie während einer symptomlos verlaufenden Geschlechtskrankheit nachgingen. Untersucht wurden 80 HIV-positive Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und wegen einer Geschlechtskrankheit (Tripper oder Chlamydien) in Behandlung waren. Knapp 40% hatte nachweisbares HIV-Virus im Rektalabstrich. Der Nachweis von HIV in der Rektumschleimhaut war assoziiert mit einer Viruskonzentration über 3.2 log (rund 2000 kopien/ml). Wie die Abbildung (klicken für Vergrösserung) zeigt, fand sich bei Patienten mit gut supprimierter Viruslast im Blut während der STD keine Erhöhung der HIV-Konzentration im Genitaltrakt.
Kommentar:
Das Resultat der Studie zeigt, dass die HIV-Therapie – wenn sie richtig durchgeführt ist – mit grösster Wahrscheinlichkeit auch dann vor einer Übertragung schützt, wenn einmal eine Geschlechtskrankheit auftritt. Dennoch halten wir daran fest, dass Geschlechtskrankheiten so rasch wie möglich diagnostiziert und behandelt werden sollten, um eine weitere Verbreitung zu vermeiden.
Quelle: Kelley et al, JID Sept. 2011
Weitere Berichte zum Thema:
-
HIV-Therapie verhindert eine sexuelle Übertragung – Endlich bewiesen! (19.7.11)
-
HIV-Übertragung unter Therapie: Doch nicht so unwahrscheinlich? (Okt.10)
-
HIV-Übertragung während HIV-Therapie – weiterhin unwahrscheinlich (Mai 10)
-
EKAF-Statement: 2 Jahre danach (Feb. 10)
-
HIV-Transmission: EKAF Statement in Frage gestellt? – Eher bestätigt! (Juli 2008)
-
HIV: EKAF-Statement wird wieder diskutiert (23.7.08)
-
HIV im Sperma auch unter vollständig suppressiver Therapie