HIV-Surveillance durch Sequenzanalysen: Die moderne Epidemiologie.
Vor mehr als zehn Jahren hat Sabine Yerly aus Genf erstmals gezeigt, dass ein grosser Teil der frisch aufgetretenen HIV-Infektionen in sog. Clustern auftritt. Das heisst, die frische Infektion erfolgte mit einem Virus, mit dem auch gleich andere Personen infiziert wurden. Daraus lässt sich errechnen, dass ein grosser Teil (bisherige Studien weisen dies für 30-50% nach) der neuen Infektionen von Patienten stammen, die ebenfalls frisch infiziert sind.
Sabine Yerly hat mit ihrem Team und in Zusammenarbeit mit dem Kantonsarzt diese Analyse für die vergangenen 10 Jahre wiederholt. In dieser molekularen Analyse der frischen HIV-Infektionen der Region Genf wurden PatientInnen eingeschlossen, wenn sie aufgrund einer dokumentierten Serokonversion oder Nachweis von wenigen Antikörperbanden oder hoher Sequenzhomologie der HIV-Quasispezies eine relativ frische Infektion (<1Jahr) aufwiesen.
Die Autoren (Ambrosioni et al, H1-1151) haben in den Jahren 2008-10 insgesamt 142 PatientInnen mit neu diagnostizierter HIV-Infektion analysiert. Davon hatte die Hälfte (49%) eine frische Infektion (<1 J.). Bei diesen fand sich eine HIV-Resistenz in 10.6% (7% NRTI, 4% NNRTI, 5% PI, 4% 2 Klassen). 42% aller PatientInnen konnten einem Cluster zugeordnet werden. Dabei konnten vorwiegend Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), den gleichen Clustern zugewiesen werden. PatientInnen aus HIV-Endemiegebieten und denen mit Nicht-subtyp-B Infektion wurden viel seltener in Clusters erfasst, was zu erwarten war (Migration, chronische Infektion).
Diese Analyse beschränkt sich auf die Region Genf. Es wäre wünschenswert, wenn solche Analysen von Amtes wegen für die ganze Schweiz im Sinne einer molekularen Epidemiologie erstellt würden. Aus derart umfassenden Arbeiten liessen sich wichtige Schlüsse für die Präventionsarbeit ziehen.