PR SHE-Meeting 2
HIV-Testung bei Frauen
Guidelines beschränken sich auf Empfehlungen zur Testung schwangerer Frauen (WHO-Guidelines 2007) oder geben keine Hinweise bezüglich Teststrategien (EACS).
In vielen Ländern Europas wird eine Opt-out-Strategie zur HIV-Testung schwangerer Frauen gewählt (s. Abb 3 rechts: Europäische Länder mit Opt-out HIV-Screening in der Schwangerschaft – auf Bild clicken zum Vergrössern).
Aber es soll auch nicht verschwiegen werden, dass die Opt-out-Strategie auch Nachteile für die Arzt-PatientIn-Beziehung haben könnte (s. Abb.4 links: Vor- und Nachteile von Opt-out-Strategien im HIV-Screening von Frauen – clicken zum Vergrössern).
In der Schweiz werden 26% der HIV-positiven Frauen in der Schwangerschaft diagnostiziert (Aebi-Popp 2009). Abgesehen davon, dass offensichtlich Chancen zu einer früheren Testung verpasst wurden, ist eine Schwangerschaft sicher kein guter Zeitpunkt, um mit einer HIV-Diagnose konfrontiert zu werden.
Zusätzlich werden in den meisten Europäischen Ländern HIV-Tests bei neu diagnostizierter Tbc sowie bei STD durchgeführt. Zum Teil kommen zusätzliche Testsettings dazu, wie in Frankreich vor einer Operation oder Spanien bei Spitaleintritt. Doch noch immer werden 1/3 der HIV-positiven Frauen in Europa als „late presenter“ erstmals HIV-positiv getestet. Insbesondere ältere Frauen gehören dazu. Eine frühere Diagnosestellung wäre zur Reduktion der individuellen Morbidität und Mortalität, aber auch aus epidemiologischen Gründen von Bedeutung. Zusätzlich zu den vorgenannten, zum Teil länderspezifischen Testsituationen wären weitere Testmöglichkeiten zu überlegen; die Überlegungen britischer Arbeitsgruppen zu diesem Thema stellte M. Johnson, London, vor (s. Abb unten rechts: Mögliche zusätzliche Szenarien für HIV-Testung bei Frauen – clicken zum Vergrössern).
Dabei ist die aufgeführte Variante von HIV-Heimtestungen sicher eine heikle Option.
Zusätzlich könnten „neue“ Testoptionen einige Hindernisse überwinden, die sich auf dem Weg zu einem HIV-Test für Frauen ergeben, wie Entfernung vom Testort, Schwierigkeit, den Arbeitsplatz zu verlassen, und Probleme in der (zwischenzeitlichen) Versorgung insbesondere von Kindern (Ostermann 2011, Erwin 2002). Weitere, möglicherweise zum Teil stärker als bei Männern zur Geltung kommende Faktoren sind: Angst vor Bekanntwerden der Infektion, Angst vor Stigma und finanzielle sowie psychologische Faktoren (zusätzliche Literatur: Gielen 2000, Petrak 2001, Sambisa 2010, Obermeyer 2007, Sherr 2007).
Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass für viele Frauen angesichts Verantwortung für Haushaltsführung, Kinder(betreuung) und den Schwierigkeiten, die sich durch Migration und Sprachprobleme stellen, die Durchführung eines HIV-Tests „weit unten auf ihrer Agenda“ stünde.
Doch nicht zu vergessen: es liegt nicht nur an den Patientinnen selbst, wenn Chancen zur Durchführung eines HIV-Tests zu wenig genutzt werden. Auch Ärztinnen und Ärzten haben verschiedene Hemmungen, HIV-Tests durchzuführen. Hingewiesen wurde auf die unterschwellige Zurückhaltung von Ärzten bei Durchführung eines Tests bei Schwarzen aufgrund der Befürchtung, dadurch „rassistisch“ zu wirken. Interessant ist auch die folgende Studie: bei einer Testung in London an 4 Spitälern mit hoher Anzahl an HIV-Patienten wurden Ärztinnen und Ärzten der Notaufnahme (ED) bzw. von Akutstationen (ACU) gefragt, welche Hemmungen sie hätten im Hinblick auf ein routinemässiges HIV-Screening aller Patienten (Sullivan 2010). Hier die Antworten (s. Abb unten: potentielle Barrieren für Ärzte bei der Durchführung eines HIV-Tests)
Selbstverständlich sollte bei unklaren Symptomen, bei denen differentialdiagnostisch eine HIV-(Primo-)Infektion zu erwägen ist, ein HIV-Test durchgeführt werden. Doch dies geht häufig unter. Eine Studie aus London hatte bei 263 afrikanischen Patienten (61% von diesen Frauen), gezeigt, dass diese im Jahr vor der HIV-Diagnosestellung in 76% den Hausarzt u/o in 38% andere ambulante Einrichtungen des Gesundheitswesens aufgesucht hatten, in 15% sogar hospitalisiert waren, ohne dass ein HIV-Test durchgeführt wurde. Retrospektiv konnten alle Beschwerden auf die HIV- Erkrankung zurückgeführt werden (Burns 2008).