Neue Medikamente: Die Qual der Wahl

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Insgesamt gab es am IAS 2011 in Rom kaum neue Medikamente zu sehen. Auch hier eine Trendwende?

In der Tat: In den letzten Jahren hatten wir immer voller Begeisterung über die vielen neuen Substanzen berichtet, die zur HIV-Therapie in der Pipeline sind. Doch offensichtlich dreht der Hahn langsam zu. Viel ist nicht mehr zu holen, unsere HIV-Substanzen sind einfach schon sehr gut und die Gefahr, eine Substanz zu entwickeln, die die Entwicklungskosten nicht mehr einbringen kann, ist zu gross. Doch es bewegt sich schon noch etwas:

In einer Session über neue Medikamente und Strategien wurden eigentlich nur die beiden neuen Medikamente Lersivirin (ein NNRTI der Firma Pfizer) und Dolutegravir (ein Integrasehemmer von GSK) vorgestellt. Beide Substanzen sind in Phase-2b-Programmen. Die beiden Firmen haben vor gut einem Jahr eine interessante Neubildung geschaffen: Eine gemeinsame Firma (ViiV Healthcare) die die strategische Weiterentwicklung der Forschungsresultate der beiden Mutterfirmen verantwortet.

Nun steht die Firma wohl an einem interessanten Punkt: es sind zwei Substanzen etwa gleich weit in der Entwicklung und es soll entschieden werden, wie die Entwicklung nun vorangehen soll.

Lersivirine: Der NNRTI im Vergleich zu EFV
Die erste Studie (TUAB0101) war eine Dosisfindungsstudie für den neuen NNRTI Lersivirine. 195 Patienten ohne frühere Therapie wurden randomisiert (EFV vs. LSV 500mg, vs. LSV 750mg). Die Resultate sind schnell erzählt: Beide Lersivirine Dosierungen sind etwa gleich wirksam wie EFV. Aber eben nur etwa. In allen Analysen schneidet EFV tendenziell etwas besser ab und auch die höhere Lersavirine-Dosis ist etwas besser.

Schwere Nebenwirkungen gab es unter Lersivirine eigentlich nicht, aber es berichteten doch 50% der Patienten in der LSV-750mg Gruppe über Übelkeit. Auch wenn das nicht eine schwere Nebenwirkung war und nie zum Absetzen der Therapie führte, bin ich doch nicht überzeugt, dass die Substanz längerfristig so viel besser ist als Efavirenz. Und letztendlich sollte das das Ziel sein. Die letzte Wahrheit wird aber erst die Phase-3-Studie zeigen, falls es eine solche geben wird! Die Geschichte erinnert ein bisschen an die Situation des neuen NNRTI Rilpivirine, dessen Phase 3-Studienresultate soeben im Lancet publiziert wurden. Auch bei Rilpivirine waren die Erwartungen aufgrund des seltenen Resistenzaufkommens hoch. Doch die Substanz hat sich gegenüber Efavirenz punkto Wirksamkeit (vor allem vermutlich ein Problem bei hoher Viruslast) nicht durchsetzen können. Der grosse Vorteil der Substanz liegt in der guten Verträglichkeit, sodass in Zukunft durchaus eine Erhaltungstherapie als ideal einzustufen wäre. Ob sich die bessere Verträglichkeit von Lersivirine auch in den Phase 3 Studien noch behaupten wird (oder würde, s.u.), ist offen.

Dolutegravir – sehr überzeugend.
Persönlich gehe ich davon aus, dass ViiV sich für eine Substanz wird entscheiden müssen. Und da scheinen für den neuen Integrase-Inhibitor Dolutegravir (TUAB0102) die Karten doch sehr viel besser zu sein. Die Substanz wurde ebenfalls in einer Phase-2b-Dosis-Findungs-Studie untersucht. Drei Dosen (10, 25, 50mg qd) wurden mit EFV verglichen. Praktisch alle drei Dosen waren hoch potent, alle eher noch besser als EFV und es fanden sich keine nennenswerten Nebenwirkungen. Somit wird die Firma die weitere Entwicklung mit der höchsten tolerierten Dosis (50mg) weiterfahren. Sicher eine sehr erfolgsversprechende Substanz. Besonders herausragend die sehr gute Verträglichkeit, wie wir das nun schon von Integrase-Hemmern kennen.

Übrigens wurde die Studie, was leicht zu erraten war, mit Nukleosid-Analoga nach Wahl durchgeführt. Also Kivexa oder Truvada. Doch es fand sich kein Unterschied bei den beiden Gruppen. Aber dies war auch nicht Gegenstand der Untersuchung.

Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Entwicklung der beiden Substanzen nun weiter abzeichnet.