HIV und Frauen in Europa

Zurück zur Inhaltsübersicht: Meetingbericht Lissabon 2011HIV und Frauen in Europa: Fakten und Hintergründe, eine Standortbestimmung unter BehandlerInnen und ein Peer education- Programm beim SHE-Meeting in Lissabon 10./11.6.11

                             

  • Zusammenfassung von Dr. Barbara Bertisch, Infektiologin, Kantonsspital St. Gallen und Dr. Karoline Aebi-Popp, Gynäkologin, Universitätspital Basel 

Weltweit ist HIV die führende Ursache für Erkrankung und Tod bei Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter (BBC news, Juli 2011). In einem Drittel der neu diagnostizierten Fälle von HIV/AIDS in Europa sind Frauen betroffen. Doch wissen wir genügend über Besonderheiten von HIV bei Frauen? Wie sieht es aus mit der Erreichbarkeit durch etablierte Teststrategien, Pharmakokinetik der ART, Neues zu Strategien rund um HIV in der Schwangerschaft? Was sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen europäischen Ländern? 

In unserer Zusammenfassung des SHE-Treffens präsentieren wir Highlights zum aktuellen Wissen zu HIV und Frauen. (Referentinnen in Lissabon: Stephanie Dominguez, Frankreich; Annette Haberl, Deutschland; Margaret Johnson, England; Celia Miralles, Spanien; Antonella d`Arminio Monforte, Italien).
 
Bitte die einzelnen Kapitel anklicken: 

Wo gibt es Wissenslücken? Wo Synergiepotentiale?
Das SHE-Treffen diente zusätzlich als Meinungsplattform. In Abstimmungen wurde eruiert, wo die BehandlerInnen die grössten Wissenslücken sowie Synergiepotentiale rund um HIV und Frauen in Europa sehen.
Als besonders stossend wurde empfunden, dass Analysen zur Situation HIV-positiver Frauen in Europa nur selten  länderübergreifend sind. Gefordert werden:

  • Standardisierte Analysen der geschlechtergetrennten HIV-Inzidenz in Europa
  • Analysen, welche Faktoren zur Verbess. der HIV-Testung von Frauen in Europa am ehesten Erfolg versprechen.
Angesichts der im letzten Jahrzehnt erfolgten Veränderungen bei der Behandlung HIV-positiver Schwangerer und (auch da) zum Überwinden der auf das jeweilige Land konzentrierten Leitlinien wurde europaweit aktualisierte Richtlinien zur Behandlung HIV-positiver Schwangerer gewünscht.
Weitere Prioritäten sind Erhebungen von geschlechtsspezifischen klinischen Daten, und mehr Untersuchungen zur Pharmakokinetik und Lanzeitfolgen der ART bei Frauen.
 
 
Ein Anschub für Hilfe zur Selbsthilfe bei HIV-positiven Frauen:  das „SHE Peer education“- Programm
 
Was ist „peer support”? Es handelt sich um Initiativen, bei denen eine Person, die mit einer Erkrankung lebt, eine andere ebenfalls unter dieser Krankheit leidende Person als „Rollenmodell“ von gleich zu gleich mit Erfahrungsaustausch unterstützt. Dies kann im Rahmen einer Selbsthilfeorganisation oder in ähnlicher Struktur erfolgen.
 
Erkrankungen, bei denen mit „peer support“ gute Erfahrungen gemacht wurden, umfassen chronische Krankheiten wie Asthma (Shah 2001) und Diabetes (Heisler 2007)oder auch, bei Unterstützung in online-Selbsthilfeorganisationen, Brustkrebs, Arthritis und Fibromyalgie (Van Uden-Kraan).
In Grossbritannien können seit einigen Jahren neu diagnostizierte oder weniger erfahrene HIV-positive Frauen durch andere HIV-positive Frauen, die sich bereits intensiv mit ihrer Krankheit auseinandergesetzt haben, begleitet werden. Auf dem SHE-Treffen berichtete eine HIV-Patientin, wie sie bei ihrer Erstdiagnose genau so eine Ansprechpartnerin bitter vermisst hatte.
Im Rahmen des SHE-Programms werden Strukturen aufgebaut, die ein solches „Betroffene helfen Betroffenen“-Programm europaweit ermöglichen werden. Dies wird die Einarbeitung interessierter Mitarbeiterinnen und Schaffung von Rahmenbedingungen umfassen; eine Zusammenstellung von wichtigen Informationen speziell für Frauen liegt in Form eines Kompendiums vor. Aktuell laufen erste Projekteinführungen in mehreren Ländern Europas; im weiteren Verlauf wird auch die Schweiz folgen können.

Was ist aus Sicht Betroffener von einem solchen Programm zu erhoffen?

Es soll den Frauen helfen, sich gestärkt zu fühlen und Kontrolle über ihre Situation zu haben. Betroffene können so  Selbstvertrauen gewinnen auch im Umgang mit dem Gesundheitssystem/Ärztinnen/Ärzten, nicht zuletzt dank intensiver Wissensvermittlung über ihre Krankheit, über die Medikamente der ART und die Notwendigkeit der Adhärenz. Und nicht zuletzt: die Isolation der Betroffenen soll überwunden werden. Und: als Gruppe können sie sich mit lauterer Stimme Gehör verschaffen.