HIV-Therapie als Prävention: und es funktioniert doch!
Eigentlich wissen wir, dass eine breit angelegte und gut durchgeführte HIV-Therapie die Ausbreitung der Epidemie verhindern könnte. Doch ist ein solcher Ansatz auch kosteneffizient? Eine Studie aus San Franzisko meint klar: Ja
Wo kein Virus, da keine Übertragung. So einfach ist diese Grundlage, die letztendlich auch dem legendären "Swiss Statement" zugrunde lag. Und tatsächlich wurde das, von der Eidg. Kommission für AIDS Fragen vor drei Jahren von vielen als mutige Mitteilung gelobte Positionspapier bis heute nicht widerlegt. Eine Therapie, gut durchgeführt, scheint effektiv so gut wirksam zu sein, dass weitere HIV-Übertragungen auf Sexualpartner ausbleiben, auch wenn keine Kondome mehr benutzt werden.
Therapie als Präventionsmassnahme?
Was für das einzelne Paar ein grosser Segen sein kann, dürfte für die gesamte Gesellschaft ein riesiger Präventionserfolg werden. Denn wenn alle HIV-infizierten Personen in einer Gesellschaft medizinisch gut behandelt sind, gibt es in dieser Gesellschaft keine neuen HIV-Infektionen. Wenn! Das würde heissen: möglicht frühzeitige Diagnose aller mit HIV infizierten Personen und dann rasche und wirksame Behandlung all dieser Betroffenen. Die Welt ist natürlich nie perfekt.
Mathematisches Modell für SF
In der Studie aus San Franzisko haben die Autoren ein Gedankenexperiment – basierend auf reellen Daten – zu Ende gedacht. Dabei haben die Autoren insbesondere versucht, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die sich in der Realität einstellen würden. Sie haben in ihren Modellen berücksichtigt, dass nicht alle Menschen mit einer HIV-Infektion sofort eine Behandlung wünschen, auch dass nicht alle sofort diagnostiziert würden und bei einem Teil die Therapie nicht optimal wirken würde.
Step one: Alle behandeln, subito!
Die Autoren haben ihre Berechnung auf die HIV-Epidemie unter Männern bezogen, die in der Region San Franzisko Sex mit Männern (MSM) haben. Sie haben zum einen untersucht, wie sich die Epidemie entwickeln würde, wenn alle heute bekannten HIV-positiven Menschen jetzt behandelt würden. Die Autoren fanden – alleine durch die Einführung der Therapie für alle – eine Senkung von Neuinfektionen in 5 Jahren von 59%. Das ist enorm, eine Wirkung die bisher noch keine Präventionsmassnahme so effizient erreicht hat.
Step two: Frühere Diagnose
Natürlich wäre es dann auch wünschenswert, wenn möglichst viele neu infizierte Menschen rasch diagnostiziert würden. Dies vor allem unter dem bekannten Aspekt der sehr hohen Übertragungsrate während der frühen Phase der Infektion. Wenn nun – wie durch die Autoren berechnet – jedes Jahr bei allen MSM ein HIV-Test durchgeführt und die HIV-positiven Menschen beraten und behandelt würden, so würde diese zusätzliche Massnahme die Rate der Infektion noch deutlicher sinken, nämlich um 76%. Stellen wir uns vor, wir könnten in der Schweiz die Anzahl von neuen Infektionen auf 24% der aktuellen Werte senken. Eine enorme Wirkung!
Weiter wurden diese beiden Strategien auch noch mit einer dritten Strategie verglichen. Heute wird empohlen, eine Behandlung einzuleiten, wenn die CD4-Zahl auf 305 gesunken ist. Manche Experten würden diesen Wert auf 500 erhöhen, also bereits heute etwas früher mit der Therapie beginnen. Dies war die dritte, der mit dem aktuellen Standard verglichenen Strategien.
Die Resultate wurden für 5, 10 und 20 Jahre (ab 2009) berechnet und sind in der nebenstehenden Tabelle zusammengefasst. Die Reduktionen in % beziehen sich immer auf den (hier nicht dargestellten) heute gültigen Standard (Behandlung ab 350 CD4-Zellen).
Unser Kommentar
Natürlich ist das nur ein mathematisches Modell. Aber bisher wurden zahlreiche ähnliche Modelle gemacht und alle zeigen mehr oder weniger dasselbe. Die vorliegnde Arbeit ist insofern interessant, als sie sich auf sehr gute Daten einer gut dokumentierten HIV-Epidemie in einem beschränkten Umfeld abstützt. Sicher können wir nicht erwarten, dass in einer heterogeneren Umgebung (z.B. gesamte Schweiz mit homo- und heterosexuellen Infektionen, Migranten, etc.) die Situation so einfach wäre. Doch das Prinzip stimmt: wenn alle behandelt werden, gibt’s keine neuen Infektionen mehr. Packen wir’s an!
Quellen: