Protease-Hemmer: Forgiving, forever?

Eine verhältnismässig grosse Studie bei HIV-infizierten Kindern hat die Bildung von Resistenzen unter Therapien mit Non-Nukleosid-Analoga und Protease-Hemmern verglichen. Einmal mehr zeigt sich, dass Protease-Hemmer weniger Resistenzbildung zulassen.

Bei der sog. PENPACT-1 Studie ging es im Wesentlichen um die Optimierung der Behandlung bei Kindern in Entwicklungsländern. Wo Ressourcen limitiert sind, müssen auch einfache Therapieschemata optimiert werden.

Raffiniertes Studiendesign
Die Studie hat grundsätzlich die Performance von Protease-basierten (PI) Therapien mit Non-Nukleosid-Analoga (NNRTI) verglichen. Dabei wurden zwei Dinge untersucht: Unterschiede beim Therapiestart mit der einen oder anderen Substanz sowie Unterschiede beim Wechsel auf eine Zweittherapie bei ungenügendem Therapieansprechen.

Als Schwelle für den Einsatz einer anderen Substanz wurden zwei Konzentrationen von Viruskonzentration verglichen: 1’000 oder 30’000 Kopien. An diesem Punkt ging es um die Frage, wie viel Resistenzmutationen entstehen, wenn man einen Anstieg der Viruskonzentration bis auf 30’000 Kopien (verglichen mit >1’000 kop/ml) zulässt.

Alle Behandlungen wurden immer mit zwei Nukleosid-Analoga (NRTI) kombiniert.

Resultate in Kürze
Interessierte Lesende verweisen wir auf die Studie und das Editorial. Im Wesentlichen wurde gezeigt, dass der Therapiestart mit beiden Substanzen (PI vs. NNRTI) zu vergleichbaren Resultaten führt. Auch die Resistenzbildung war in beiden Gruppen vergleichbar, wenn die Therapieumstellung bereits bei einem Viruslast-Anstieg >1’000 Kopien erfolgte. Unterschiede gab es erst bei der Zweittherapie, wenn diese spät (>30’000 kop/ml) eingesetzt wurde. Hier zeigte sich, dass Protease-Hemmer weniger Resistenzbildungen bei den NRTI zulassen.

Bekanntes Phänomen: Forgiveness
Die Resultate widerspiegeln ein bekanntes Phänomen. Wir wissen von der Therapie bei Erwachsenen, dass Protease-Hemmer deutlich weniger Resistenzbildung gegenüber anderen, in der Behandlungskombination enthaltenen Substanzen (NRTI) zulassen. Dieses Beispiel bei Kindern erinnert uns an dieses Phänomen.

Konsequenzen für uns?
Für unsere Behandlung ergeben sich wohl keine direkten Konsequenzenaus der Studie. Gemäss dem Editorialist sind die wichtigen Konsequenzen bei Behandlungen in der dritten Welt. Doch das Prinzip gilt auch bei uns: wenn wir nicht ganz sicher sind, wie eine Therapie eingenommen werden kann, ob keine Mutationen vorliegen, so hat ein Therapiestart mit Protease-Hemmern den grossen Vorteil, dass diese Behandlung auch noch bei Fehlern in der Medikamenteneinnahme nicht gleich zur Resistenzentwicklung führt. Die Protease-Hemmer sind "forgiving", sie vergeben uns auch Einnahmefehler. Dies ist vor allem am Anfang der Therapie wichtig. Wenn die Viruskonzentration einmal unterdrückt ist, so ist ein Wechsel auf einen günstigeren NNRTI sicher vorzuziehen.

Wir setzen das Konzept des "Hot-Start" immer mehr ein: Beginn einer Therapie mit dem "forgiving" PI und dann Wechsel auf ein längerfristig günstigeres Konzept. Also: Forgiving, but not forever!

Quelle: PENPACT-1, Lancet 1.2.2011

Editorial: Sutcliff & Moss, Lancet 1.2.2011