Nevirapin: Die Schönste im Land?
Wer ist die Schönste im ganzen Land? Bei HIV-Therapien ist dies eine schwierige Frage. Aber sicher wissen wir, welches die günstigste ist. Und vielleicht sogar eine der besten, wenn man genau hinsieht und von den Schwierigkeiten am Anfang der Behandlung absieht: Nevirapin. Eine neue Formulierung macht es noch einfacher.
Nevirapin gehört zu den ältesten Substanzen, die wir zur Behandlung der HIV-Infektion überhaupt haben. Und sie ist noch keineswegs überholt. Wir wissen, dass Nevirapin den Fettstoffwechsel günstig beeinflusst (vermutlich das einzige HIV-Medikament mit dieser Eigenschaft), dass es eine ausgezeichnete Langzeitverträglichkeit hat und zudem noch sehr günstig ist.
Nevirapin hat zwei Nachteile: Erstens muss es gemäss Packungsbeilage zweimal pro Tag abgegeben werden, was aber praktisch niemand mehr wirklich macht. Zweitens, und das schreckt die meisten Ärzte ab, muss man in den ersten 4-8 Wochen mit möglichen Nebenwirkungen (Leber) rechnen. Und noch immer kennen wir keine einfachen genetischen Tests, welche diese Unverträglichkeit voraussagen (s. Bericht CROI)
Nun hat die Herstellerfirma eine neue galenische Form auf den Markt gebracht, mit der die Substanz deutlich langsamer im Darm abgegeben wird und die nur einmal täglich gegeben werden kann. Ob es sich dabei nur um einen Trick handelt, um die Patentlaufzeit hinauszuögern ist fraglich, die Zukunft wird das beweisen. Doch interessant ist die Substanz allemal.
Im ARTEN-Trial wurde die neue Formulierung (400mg Extended Release) mit der herkömmlichen Galenik (2x200mg) und einer Standardtherapie mit Atazanavir/r verglichen. Die Behandlungen waren bezüglich Wirksamkeit vergleichbar. Der grosse Unterschied lag in der Verträglichkeit. In beiden NVP-Behandlungsarmen kam es zu deutlich mehr Therapieunterbrüchen (22% und 30% vs. 10%) als bei Atazanavir, meist auf Kosten von Nebenwirkungen. Die Therapie mit der Extended Release Galenik war aber auch in Bezug auf Nebenwirkungen etwas besser.
Doch bei den Patienten, die Nevirapin in den ersten Wochen gut vertragen haben, war die Wirksamkeit sehr gut. Dies bestätigt unsere Erfahrung: wer die Therapie einmal gut verträgt, ist mit Nevirapin (ev. XR etwas besser) gut beraten. Am CROI 2011 wurden bereits erste Daten zur Pharmakokinetik auch im Kindealter (3-17 Jahre) gezeigt (s. Bericht CROI).
Quelle: Soriano et al, Antiviral Therapy 2011