HIV-Impfung: Doch noch ein Durchbruch?
Eine wirksame Impfung gegen HIV würde die HIV-Prävention vereinfachen. Doch ob eine solche Impfung jemals verfügbar sein wird, steht eigentlich immer noch in dern Sternen. Einer Französischen Forschergruppe ist ein kleiner Durchbruch gelungen. Doch bei jeder HIV-Impf-Prognose ist Vorsicht angesagt !
Die Hoffnung auf eine Impfung gegen HIV ist so alt wie das Virus schon bekannt ist. Doch die eher bescheidenen Erfolgsberichte angeblicher Teilerfolge wurden immer und immer wieder durch enttäuschende weitere Experimente relativiert. Mit ganz grossen Hoffnungen wurde 2009 der Bericht einer "wirksamen" Impfung in Thailand verbreitet. Die Medien feierten schon den grossen Durchbruch (s. Videobeispiel abc-News). Leider ist auch dieses letzte Kapitel in Fachkreisen eher nüchtern aufgenommen worden.
Gegen HIV eine Impfung zu entwickeln ist schon daher so schwierig, ja fast unmöglich, weil sich dieses Virus immer und immer wieder der Immunantwort entzieht. Anders als bei Krankheiten, für die wir gute Impfstoffe haben, gibt es unter den HIV-Infizierten praktisch niemanden, der von den Folgen der Infektion verschont bleibt, weil das Immunsystem das Virus zerstört hat. Daher ist es auch schwierig, einen Impfstoff zu entwickeln, der etwas erreichen kann, was in der Natur noch nie beobachtet wurde.
Tatsächlich wissen wir gar nicht genau, wie eine HIV-Impfung einen Schutz erzeugen könnte. Zuerst meinte man, dass die zytotoxische Immunantwort entscheidend sein dürfte. Doch diese Strategie erlitt bald Schiffbruch. Dann gab es die Hoffnung, man könne mit neutralisierenden Antikörpern eine Schutzwirkung erzielen. Dieser Ansatz ist nohc nicht ganz verworfen, wurde aber vielleicht zu sehr überbewertet.
Ob nun eine neue Strategie einen Erfolg zeigen wird? Vielleicht. Ein kleiner Durchbruch – von den Medien zum Glück noch weitgehend unbeachtet – ist einer Französischen Gruppe im Tierversuch geglückt. Die Gruppe hat einen Impfstoff untersucht, der in einer virosomalen Hülle (ähnlich wie beim virosomalen Grippeimpfstoff) ein HIV-protein (gp41) und ein kleines Peptid (p1) trug.
Der wesentliche Trick an diesem neuen Impfstoff ist nicht das Transportvehikel (virosomen) oder die verwendeten HIV-Proteine. Beides sind bekannte Strategien. Entscheidend ist, dass die Forschergruppe keine Schutzwirkung im Blut (Immunzellen oder neutralisierende Antikörper) angestrebt hat, sondern vielmehr versucht hat, eine Immunantwort auf der Mukosa zu bewirken.
Diese Strategie scheint uns schon deswegen sehr erfolgversprechend, weil – im Gegensatz zu allen anderen Strategien – solche Beispiele von erworbener Immunantwort in der Vaginalschleimhaut bekannt sind. Mario Clerici aus Mailand hat schon vor über 10 Jahren darauf hingewiesen, dass ein Drittel und mehr aller untersuchten Sexualpartner von HIV-Infizierten Menschen auf der Schleimhaut (meist Vaginalsekret) Immunglobuline vom Typ IgA besitzen, welche gegen HIV gerichtet sind. Diese eindeutig erworbene Immunantwort scheint diese Partner auch vor einer HIV-Infektion zu schützen.
In der aktuellen Nummer von AIDS-Reviews findet sich eine aktualisierte Übersicht über Mechanismen, welche bei der reduzierten Anfälligkeit auf HIV mitspielen (Restrepo et al, 2011). Dabei spielen viele angeborene und erworbene Faktoren mit. Genetische Faktoren sind schon seit vielen Jahren als mögliche Ursache einer reduzierten Anfälligkeit für HIV bekannt (s. unseren Bericht aus 2004). Aber die IgA-Antikörper, welche sich im Vaginalsekret finden lassen, scheinen beim Menschen tatsächlich eine schützende Funktion zu haben. Denn die Partner, die diese, gegen HIV-gerichtete Antikörper in der Schleimhaut haben, bleiben meist HIV-negativ, während sich die HIV-Übertragungen bei Partnern ohne solche Antikörper finden lassen. In der Abbildung links ist dargestellt, wie die verschiedenen Abwehrmechanismen wirken. Die IgA fangen dabei die fremden Viren schon an der Schleimhautoberfläche ab.
Wenn nun also tatsächlich mit einer Impfung solche IgA-Antikörper auf der Schleimhaut hervorgerufen werden könnten, hätte eine solche Strategie doch das Potenzial einer schützenden Wirkung. Dass das theoretisch möglich sein könnte, haben nun die Autoren der Französischen Studie im Tiermodell bewiesen. Dabei verwendeten sie eine Strategie, die sich von anderen Impfstrategien abgrenzt: sie verwenden eine Kombination von 2 intramuskulären Injektionen gefolgt von zwei nasalen Impfungen im Abstand von 2 Monaten. Die Impfung der Nasenschleimhaut ist der entscheidende Schritt. Denn im Tierexperiment konnten sie zeigen, dass die Tiere, die so geimpft wurden, eine sehr hohe schützende Wirkung hatten (s. Abbildung rechts) im Gegensatz zu den Tieren, die nur intramuskulär geimpft wurden. Die Autoren konnten auch zeigen, dass sich bei den geschützten Tieren tatsächlich auch HIV-spezifische IgA in der Schleimhaut nachweisen liessen. Entscheidend ist natürlich auch, dass diese Tiere auf vaginalem Weg infiziert wurden.
Sicher noch kein Durchbruch, aber doch ein entscheidender Schritt in Richtung einer neuen Strategie.
Quelle: Bomsel et al, Immunity März 2011
Editorial: McElrath, Immunity März 2011