GBV Genetik und Verlauf der Infektion

Zurück zur Inhaltsübersicht: Kongressbericht Boston 2011Die aussergewöhnlichen Entwicklungen der genetischen Forschung in den letzten Jahren haben neue Türen zum besseren Verständnis der HIV-Pathogenese geöffnet.

Die genetische Substudie der SHCS ist der Ausgangspunkt von zwei hervorragenden Arbeiten. Margalida Rotger (Paper) ging von zwei klinischen Präsentationen der HIV-Infektion aus, die aus pathogenetischer Sicht noch schlecht verstanden sind: „rapid progressors“ (RP) und „viremic non-progressors“ (VNP). Die RP weisen eine schnelle Progression zu AIDS auf, während die VNP eine hohe Virämie ohne Progression der HIV-Infektion tolerieren. Individuen mit diesem Phänotyp sind selten: in der SHCS konnte man 7.9% RP und 0.1%VNP identifizieren.
Bei mit SIV infizierten Primaten kennt man das pathogene Rhesus-Macaque-Modell und das non-pathogene Sooty-Mangabey-Modell, die einen ähnlichen Phänotyp wie die RP bzw. VNP aufweisen. In der SHCS wurden 66 RP und 6 VNP identifiziert. Die Schweizer Gruppe fand protektive HLA Allele weniger häufig in RP (N=66) im Vergleich zur allgemeinen SHCS Population (N=1609). Im Gegensatz zu der genome wide association study (GWAS) konnte in der SHCS kein SNP von genome-wide Signifikanz identifiziert werden. In der Transkriptomanalyse fand man, dass VNP, im Vergleich zu RP, eine tiefere Upregulierung der durch Interferon stimulierten Gene (ISG), vor allem in CD8 Lymphozyten aufweisen. Bemerkenswerterweise sind diese Resultate vergleichbar mit dem Modell der natürlichen Infektion in den erwähnten Primaten (Lederer et. al., PLoS Pathogens 2009; Jacquelin et al. J Clin Invest 2009; Bosinger et al., J Clin Invest 2009). Zusätzlich wurde eine spezielle genetische Methode (Gene Set Enrichment Analysis) angewandt, mit der die Ähnlichkeiten in der Genexpression (ISG Gene und Immunaktivierungsgene) zwischen RP und Rhesus Macaque und zwischen VNP und Sooty Mangabey untermauert werden konnte. Es bleibt noch zu erwähnen, dass die Gene mit hoher expression in RP und Rhesus Macaque (CASP1, CD38, LAG3, TNFSF13B) anhand eines unabhängigen Datensatzes zusätzlich validiert wurden (publiziert in Rotger et al. PLoS Pathog 2010).

Die klinische Bedeutung dieser genetischen Sonderheit ist wohl gering. Doch es ist gut zu wissen, dass es diese „VNP“ gibt. Selbst wenn wir durch Gentests nachweisen könnten, dass keine Therapie notwendig ist, so müssen wir doch berücksichtigen, dass diese Personen – auch wenn es sie selbst nicht schädigt – ohne Therapie noch weiterhin ansteckend bleiben.