Zum Schluss der CROI 2011 wurde ein Symposium über die 30 Jahre der HIV Epidemieveranstaltet. Das Video von Paul Volbering Abs 170, einem Pionier der HIV/AIDS Arbeit in San Francisco, muss man sich unbedingt anschauen. Ein eindrückliches Mosaik mit Interviews von Ärzten, Pflegenden, Patienten und anderen Leuten, die von Anfang an dabei waren, als AIDS noch GRID (gay related immuno-deficiency) genannt wurde.
Ebenfalls interessant ist die Geschichte der HIV-Epidemie in Uganda von
Elly Katabira Abs 171. Im Rakai Distrikt wurde 1982 eine neue Krankheit, die „Slim disease“, beobachtet und kurz danach als Ausdruck der HIV-Epidemie erkannt. Die afrikanischen Handelsrouten entpuppten sich als Hotspots der HIV-Epidemie, als immer mehr Truck Drivers, deren Partner, Barmaids und Prostituierte in den Trading Centern erkrankten. The AIDS Support Organisation (TASO), 1987 gegründet, kämpfte von Anfang an gegen die politische Verneinung und die zunehmende Stigmatisierung der Betroffenen. Im gleichen Jahr entstand in Kampala die erste AIDS-Klinik, nachdem viele Spitäler von einer steigenden Anzahl AIDS-Kranker überflutet wurden. Im Jahr 2000 signalisierte die Durban AIDS-Konferenz einen Wendepunkt für Uganda und andere afrikanische Länder mit der Forderung nach ART auch für Betroffene in armen Ländern. Ende 2009 waren > 5,2 Millionen Personen unter einer ART, leider nur etwa 40% derer die eine Therapie bräuchten. Ungelöste Probleme für Afrika sind die hohe Anzahl neuer Infektionen (für jede Person, die eine Behandlung erhält, finden 3 neue Infektionen statt) und die fehlende Implementierung wichtiger Präventionsmassnahmen wie die Zirkumzision.
Mit dem Titel „From anomaly to avalanche“ sprach
Heather Watts Abs 172 über die HIV-Epidemie bei Frauen. 1985 waren 7% der AIDS-Fälle in den USA Frauen, danach wuchs der Anteil schnell auf bis zu 20-25% an. Das unterscheidet sich sehr von dem geschätzten 60% Frauenanteil im Subsahara-Afrika. Das Risiko der heterosexuellen Transmission unterscheidet sich nicht substantiell zwischen Frau und Mann, aber soziale Ungerechtigkeit und Gewalt gegenüber Frauen erklären die höhere HIV-Prävalenz bei Frauen. 2010 wurden die Erfolge der vaginalen und systemischen Präexpositionsprophylaxe (CAPRISA 004, iPrEx) publiziert, die neue Hoffnung für die HIV-Prävention bei Frauen bedeuten. Die ca. 2 log höhere Tenofovir-Konzentration im vaginalen Gewebe nach topischer Applikation im Vergleich zur oralen Therapie (Studie MTN-001) rechtfertigt das Interesse an der Entwicklung von vaginalen Mikrobiziden. In der Entwicklungspipeline sind Mikrobizide mit NNRTIs, CCR5 und Integrase Inhibitoren, sowie neue Applikationen der Prophylaxe mit Vaginalringen, Pflaster und parenteralen Substanzen zu erwähnen. Der Einfluss der hormonellen Kontrazeption auf das Risiko der HIV-Infektion beziehungsweise der Progression zu AIDS bleibt kontrovers. Daten aus einer 2009 publizierten, randomisierten Studie weisen auf eine schnellere Progression hin zur ART oder zum Tod, bei Frauen die Depotprovera erhielten (Stringer et al., AIDS 2009). Dem stehen Resultate von mindestens 2-3 sorgfältig durchgeführten Kohortenstudien gegenüber, die ein solches Risiko der hormonellen Kontrazeption nicht gezeigt haben. Zu guter Letzt eine Erinnerung an die Erfolge der ART bei der Verminderung der Mother-to-Child Transmission: von 24.5% in der Prä-HAART Ära zu den heutigen < 1%! (Townsend et al., AIDS 2008)
Wer weiss, dass die Spitze der HIV/AIDS-Epidemie bereits kurz vor dem Jahr 2000 erreicht wurde? John Boongarts Abs 173 von der Population Division der UNO erklärte es als Konsequenz der natürlichen Grenze einer Epidemie und dem Einfluss der Prävention und Behandlung. 2009 hat man 2.6 Millionen neue Infektionen, 1.8 Millionen AIDS-Tote und 33.3 Millionen HIV-Infizierte (Prävalenz 0.8%) geschätzt.
Die Szenarien für die Entwicklung der Epidemie sind auf Grund der vielen, schwer abschätzbaren Variablen noch sehr offen. Im Gegensatz zu den UNO Projektionen (Abbildung) stehen die Berechnungen vom Institute of Medicine (Bericht 2011), in denen man von einer zunehmenden Donor Fatigue und daraus folgenden, abnehmenden Investitionen in die HIV-Prävention und Behandlung ausgeht. Heute fliessen in armen Ländern 73% der Ressourcen für die öffentliche Gesundheit in den Kampf gegen HIV/AIDS, was langfristig kaum tragbar ist. Das düstere Szenario sieht für 2050 >5 Millionen neue HIV-Infektionen/Jahr und mehr als 60 Millionen HIV-Infizierte weltweit vor. Die langfristige Tragbarkeit der ART wird in Frage gestellt: ist die Prävention neuer Infektionen der einzige gangbare Weg?