15 Jahre HAART Immunpathologie im Zentrum

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15 Jahre nach Einführung der Proteasehemmer in die antiretrovirale Therapie erinnerte Chairman  Roy Gulick  aus New York an die Zeit, als AIDS die Haupttodesursache junger Erwachsener in USA war. Die Dreifachtherapie markierte einen Meilenstein in der Geschichte der HIV-Therapie: die Mortalität der Betroffenen sank dramatisch. Doch obwohl in den folgenden Jahren die Tablettenzahl und Einnahmehäufigkeit sowie Toxizität der Regime sank, mahnte Patrick Yeni aus Paris im ersten Vortrag der Session zur Zukunft der HIV-Behandlung doch, dass noch einige Aufgaben zu lösen sind.

Zum einen wird auch in den Industrieländern bis zu einem Drittel der HIV-Infektionen erst diagnostizieZum Vergrössern bitte klickenrt, wenn die CD4-Zellen bereits unter 350/µl gesunken sind. Nach den aktuellen Guidelines sollte hier aber bereits mit einer ART begonnen werden. Das bedeutet, wir erfassen die Betroffenen zu spät, mit allen negativen Konsequenzen für deren Prognose. Test&Treat-Strategien zur Ausweitung der HIV-Tests werden untersucht. Diese Ergebnisse müssen wir abwarten. Neue Entwicklungen im Bereich der ART wurden relativ kurz zusammengefasst. Auch neue Wirkmechanismen werden dabei bedient: ein Attachment-Inhibitor der Firma BMS sowie ein monoklonaler CD4-Antikörper. Sämtliche Substanzen befinden sich in PhaseI/II-Studien (Abb. zum Vergrössern anklicken).

 
Auch das Dogma der klassischen Triple-Therapie wird immer wieder geprüft. Zumeist, um Toxizität zu vermeiden, werden neue Strategien untersucht, in denen der NRTI-Backbone durch einen CCR5-Hemmer oder einen NNRTI ersetzt wird. Nach vielen Enttäuschungen auf dem Gebiet der Nuke-freien Therapie muss man auch hier vorerst noch die Studienergebnisse abwarten. Möglicherweise wird die Therapie der Zukunft auch Medikamente enthalten, die gar nicht antiviral wirksam sind, sondern sich eher gegen die Immunaktivierung, d.h. die Folgen der HIV-Infektion direkt richten, wie z.B. Statine oder NSAR oder auch rekombinantes IL-7. Auch neue Ansätze wie die Inhibition der Tryptophan-Oxidation wurden in diesem Zusammenhang erwähnt. Die grosse Aufgabe der Zukunft bleibt aber selbstverständlich die Heilung der HIV-Infektion. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten: die ruhenden CD4-Zellen zu aktivieren und dann die infizierten unter ihnen zu eliminieren und die Gentherapie. Bisherige Versuche wurden z.B. mit Valproinsäure oder Vorinostat, (hemmt Chromatinkondensation) durchgeführt.
Dabei ist Valproinsäure nur ein schwacher Inhibitor und, Vorinostat hat bei längerer Anwendung zahlreiche Nebenwirkungen. Man kann auch die Transkriptionsfaktoren beeinflussen durch z.B. Prostratin und Bryostatin (beide aktivieren NF-kB) und sind aus der Krebstherapie bekannt. IL-7 induziert die HIV-Transkription in ruhenden Zellen und wäre so ebenfalls ein Kandidat, um die latenten Zellen dem Immunsystem zugänglich zu machen. Dieser Ansatz wird gerade in einer Studie an Patienten unter suppressiver ART getestet und erscheint vielversprechend. Als Target für die Gentherapie im Hinblick auf eine Heilung der HIV-Infektion bietet sich vor allem CCR5 an (siehe HIV-Gentherapie – eine kleine Sensation?).
 

Von den Höhen der Wissenschaft zurück auf den Boden des klinischen Alltags in resource-limited Ländern – Graeme Meintjes aus Kapstadt machte uns bewusst, dass sich im Gegensatz zu den Industrieländern die Häufigkeit opportunistischer Infektionen in Entwicklungsländern seit Einführung der HAART nicht geändert hat. Beschreibung zum Management von OIs, siehe Infekt.ch (LINK)

Karin Metzger aus Zürich referierte über die Bedeutung unterschiedlicher Methoden in der Verlaufskontrolle der HIV-Infektion, sowohl bei der Messung der Viruslast, wie auch im Rahmen der Resistenztestung. Die hochsensitiven Assays der Viruslastmessung haben im klinischen Alltag keine grosse Bedeutung, da eine Virämie bis 50 cp/ml nicht mit einem Therapieversagen assoziiert ist. Wenn allerdings einmal Heilungsstrategien diskutiert werden sollten, dann wären hochsensitive Verfahren wichtig, die bis 1 cp/ml detektieren können. Im Rahmen von Resistenztestungen ging sie auf die Bedeutung der Erfassung von Minority variants ein. Hier findet sich bei Mutationen wie K103 N als Minority variant eine Assoziation mit Therapieversagen, wenn eine NNRTI-haltige Kombination gewählt wird. Gleiches gilt für die Behandlung mit CCR5-Antagonisten bei Patienten mit CXCR4-Viren als Minority variants. Interessant ist auch, dass das next generation sequencing nicht nur zum ultra deep sequencing, sondern auch ultra broad eingesetzt werden kann. Dabei werden ca. 2000 Sequenzen/Patient pro Lauf erfasst und mit einem Lauf können 500 Patienten untersucht werden. Durch die hohe Zahl der durchgeschleusten Seren ist das Verfahren auch preislich günstig und damit evtl. auch in resource limited countries einsetzbar.
 

Im letzten Vortrag von Tim Schacker aus Minneapolis wurde erneut die chronische Inflammation diskutierZum Vergrössern, bitte klickent, die trotz suppressiver ART weiter besteht. Pathogenetisch führt die akute HIV-Infektion zu einem Zytokin-Sturm, d.h. erhöhten Spiegeln von Fibrinogen, IL-6, TGF, TNF, IFN, D-Dimer, CrP usw. Die Spiegel sinken anschliessend zwar wieder, erreichen aber nie mehr das normale Niveau. Die HIV-Infektion führt zu einer Depletion von CD4-Zellen im Lymphgewebe und im Darm. Assoziiert mit der chronischen Inflammation sind cardiovasculäre Erkrankungen, Dyslipidämie bei Insulinresistenz, thrombotische Ereignisse, Demenz, Tumoren und Osteoporose (Abb. zum Vergrössern anklicken).

 
Die bisher vermuteten Ursachen für die Immunaktivierung sind im Schaubild zusammengefasst: die kontinuierliche virale Replikation, persistierende Infektionen und die mikrobielle Translokation durch die Darmschleimhaut führen zur Inflammation und dadurch zu einer Zerstörung des follicular reticular cell network in Lymphknoten, die fibrosieren und dadurch den Zugang der T-Zellen zu IL-7 erschweren, was wiederum zur Apoptose naiver T-Zellen führt. Dies ist eine Rationale für die Gabe von IL-7. Doch auch eine antifibrotische Therapie sollte geprüft werden.