HIV-Therapie: Womit beginnen?

Welches ist die Schönste (Kombinationstherapie) im ganzen Land? Alle haben da ihre persönliche Favoriten, besonders natürlich die Vertreter der Industrie. Können wir Unterschiede ausmachen oder bleibt es Geschmackssache?

Jede HIV-Therapie wird mit drei Substanzen eingeleitet. In der Regel zwei Nukleosid-Analoga (NRTI) und entweder ein Non-Nukleosid (NNRTI) oder ein Protease-Hemmer, geboostet mit Ritonavir (PI/r). Verschiedene Studien haben diverse direkte Vergleiche angestellt und heute wird der NNRTI Efavirenz (EFV) in der Schweiz am häufigsten eingesetzt. Der zweite, schon bald 20 Jahre bekannte NNRTI Nevirapine (NVP) hingegen, hat einen schlechten Ruf wegen den Nebenwirkungen (Leber, Hautausschlag).

Nun hat ein Cochrane Review am 8.12.2010 die publizierten Resultate der beiden Substanzen EFV und NVP verglichen. Das Resultat ist ernüchternd, selbst beim Einsatz als Ersttherapie bei noch hoher Viruslast. Es findet sich kein eindeutiger Vorteil für die eine oder andere Substanz.

Unterschied im Nebenwirkungsspektrum
Den einzigen Unterschied finden die Autoren beim Nebenwirkungsspektrum (s. oben für NVP, Zentralnervöse Nebenwirkungen für EFV). Doch in Bezug auf die Wirksamkeit finden die Autoren nicht genügend Evidenz, um die eine oder andere Substanz vorzuziehen.

Unser Kommentar:
Aus unserer Sicht haben NNRTI im initialen Einsatz gegenüber der Behandlung mit PI/r immer noch den Nachteil, dass das Risiko einer Resistenzbildung etwas höher ist. PI/r-basierte Behandlungen haben eindeutig ein geringeres Potential einer Resistenzentwicklung, besonders in den ersten Wochen der Therapie, in der dieses Risiko am höchsten ist. Doch in der Erhaltungstherapie bestechen die beiden Substanzen insbesondere wegen des günstigen Preises, ein Postulat, welches gerade in der Langzeitperspektive von Bedeutung ist.

Der schlechte Ruf von NVP ist unseres Erachtens nicht gerechtfertigt, was nun auch die Cochrane Analyse zeigt. Abgesehen davon, dass diese Substanz den günstigsten Preis hat (CHF 400.-/Mt) besticht sie durch die gute Langzeitverträglichkeit (keine Lipiderhöhung, keine mitotoxischen Nebenwirkungen). Das Problem sind die hepatischen Nebenwirkungen, welche in den ersten Monaten auftreten. Doch wenn diese Phase überwunden ist, ist die Substanz sehr gut verträglich.

Noch offen: Nevirapine einmal täglich
Der Cochrane Review hat allerdings auch auf ein Problem hingewiesen. NVP wird meist einmal tägliche verabreicht, was gemäss Packungsbeilage nicht korrekt ist, aufgrund der langen Halbwertszeit aber vernünftig scheint. Auch wenn das Urteil der Autoren nicht endgültig ist, die einmalige Gabe wird mit einer höheren Mortalität assoziert. Tatsächlich sind Nebenwirkungsraten oft mit höheren Wirkstoff-Spitzenspiegeln assoziiert. Daher wäre es schon möglich, dass wir mit der besser verteilten Abgabe auch weniger Nebenwirkungen haben. Die neue Galenik mit den sog. "extended release" Tabletten dürfte auch bezüglich Verträglichkeit Vorteile zeigen (s. unseren Bericht). So warten wir also gespannt auf die Einführung der neuen Nevirapine-Galenik. Wenn der Preis derselbe bleibt, haben wir hier einen klaren Geheimtip für die "Schönste im ganzen Land".

Quelle: Mbuagbaw et al, Coch Database Review, 8.12.10