Genetische Anfälligkeit gegenüber Meningokokken
Invasive Meningokokkenerkrankungen (v.a. Hirnhautentzündung und Blutvergiftung) sind glücklicherweise relativ seltene Ereignisse in der Schweiz (0.9/100’00, BAG 2007), zeigen aber häufig schwere Verläufe mit hoher Morbidität und Mortalität (8%).
Die meisten dieser Erkrankungen sind mit den Serotypen A, B, C, W135 und Y verbunden. Schutz vor einer Erkrankung bieten Meningokokken-Impfstoffe, wobei der bei uns häufigste Typ B leider bisher nicht abgedeckt werden kann.
Viele Menschen (30%) tragen Meningokokken im Nasen-Rachen-Raum ohne zu erkranken. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass Erkrankungen – von den bekannten Risikofaktoren abgesehen – "unglückliche Zufälle" sind. Zu den bisher bekannten Riskofaktoren für eine Erkrankung zählen Komplementdefekte, Protein S und C Defizite, eine funktionelle oder anatomische Asplenie oder die mangelnde Immunantwort auf Polysaccharid-Impfstoffe sowie eine berufliche Exposition (Labor).
Eine neue Studie zeigt nun in einer sehr grossen Population auf, dass zusätzliche genetische Risikofaktoren den Weg für diese Erkrankungen ebnen können. Die Studie ist eine internationale Kollaboration unter Leitung von Wissenschaftlern und Klinikern des Imperial College’s in London.
Untersucht wurden genetische Marker bei 1500 Patienten aus England, Holland, Spanien und Österreich aus drei verschiedene Kohorten, die eine Meningokokkenerkrankung durchgemacht haben. Bei jeder dieser Personen sowie bei 5000 Probanden einer Kontrollpopulation wurden 500’000 genetische Varianten (SNPs) analysiert.
Dabei zeigten sich Unterschiede in Genen, die für den Faktor H (CFH, Englisch) und mit diesem Faktor assoziierten Proteine kodieren. Diese regulieren einen Teil des Komplementsystems, einem wesentlichen Bestandteil der unspezifischen Abwehr.
Unbekannt bleiben bisher noch die detaillierten Veränderungen der Proteine, die von den Meningokokken als "trojanische Pferde" genutzt werden, um sich vor der Immunabwehr zu "verstecken".
Dass genetische Risikofaktoren die invasive Menigokokkenrekrankung begünstigen ist nicht weiter verwunderlich. Ob die neu identifizierten genetischen Marker im klinischen Alltag hingegen eine Anwendung finden und so möglicherweise eine neue Impfstrategie mit Einschluss dieser Risikopopulation erlauben, wird abhängen von der Verfügbarkeit der Diagnostik und dem Nachweis einer Wirtschaftlichkeit von Diagnostik und Impfung. Für die betroffenen Menschen erscheint dieser Ansatz einer "personalized medicine" sicherlich sinnvoll.