Therapie für alle: Hlft dies wirklich, um die Epidemie einzudämmen?

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Inhaltsübersicht: Kongressbericht Wien 2010

Das Konzept ist klar und einfach: Wenn alle Menschen mit einer HIV-Infektion behandelt würden, gäbe es keine neuen HIV-Übertragungen mehr. Doch dies bedingt, dass man jede frische Infektion erkennen müsste. Da aber Patienten mit einer Primoinfektion oft nicht erkannt werden, müssen wir uns fragen, ob diese unerkannten frühen Phasen das ursprüngliche Ansinnen torpedieren würden. 

Die Frage ist keineswegs akademisch. Denn tatsächlich werden nun Strategien zur HIV-Eradikation durch verbreitete Anwendung von Therapien diskutiert. Doch wir vermuten auch, dass die Infektiosität während der HIV-Primoinfektion um eine vielfaches (ca. 30x) erhöht ist. Diese erhöhte Infektiosität könnte nun die Wirkung aller gut gemeinten Absichten durch einen frühen Therapiebeginn relativieren.

Die Gruppe um Mike Cohen an der UNC Chapel Hill hat nun – basierend auf ihren Erfahrungen mit Primoinfektion in Malawi, ein mathematisches Modell präsentiert, welches den Beitrag der HIV-Primoinfektion in einem Modell "Therapie für alle" untersucht. Dabei wollten sie herausfinden, wie wichtig der Beitrag einer intensivierten Diagnostik von Primoinfektionen ist.

Aus den Erfahrungen in Malawi haben die Autoren zunächst den Anteil von frischen Infektionen untersucht, die auch von Patienten mit einer Primoinfektion (oder frühen Infektion) angesteckt wurden. DAbei machten die Autoren die Interessante Beobachtung, dass der Anteil von frischen Infektionen ausgehend von Primoinfektionen in den ersten Jahren der Epidemie um 80% lag, dann aber um die Zeit 1995-1998 auf ca. 30-40% sank und nun auf vergleichsweise tiefem Niveau, eher leicht ansteigend persistiert (aktuell 38%).

Nun können verschiedene Szenarien geprüft werden. Selbst wenn es gelänge, alle frischen Infektionen zu erkennen, so würde die Prävalenz in Lilongwe in Zukunft weniger als halbiert. Im Gegensatz dazu könnte ein Szenario, welches alle chronischen Infektionen (durch jährliche Testung und Therapie) nicht mehr infektiös macht, die Prävalenz längerfristig stark senken. Doch wenn ein realistischeres Szenario (75% der Chronisch Infizierten wird erreicht und behandelt) getestet wird, so kann dies die Prävalenz in den nächsten 10 Jahren zwar halbieren doch sie bleibt auf dem tieferen Niveau stabil.

Erst eine zusätzliche Detektion von 50% aller Patienten mit Primoinfektion würde die Prävalenz längerfristig auf Null senken und die Epidemie zum Verschwinden bringen. 

Die Schlussfolgerung aus diesem Modell ist, dass eine jährliche Testung und Therapie von chronisch infizierten Personen (mindestens mit den für Malawi gültigen Annahmen) nie ausreichen wird, um die Epidemie zum Verschwinden zu bringen. Zusätzlich müssen Bestrebungen intensiviert werden, um Patienten mit Primoinfektion früh zu erkennen und zu behandeln.

Links:

  • Powers, et.al. – FRLBC105
  • Slides mit Audio
  • Präsentation (.ppt)