Protease-Hemmer-Raltegravir- Switch: Teure Therapie wird schweineteuer!

Zurück zur 
Inhaltsübersicht: Kongressbericht Wien 2010

Therapievereinfachung, sog. "Simplification Strategy" ist Mode. Natürlich wollen wir alle eine einfachere Therpie. Aber zu welchem Preis. Was wir nicht möchten ist eine Therapie die schlechter wirkt, zu Resistenzen führt und/oder mehr Nebenwirkungen hat. Aber auch der Preis in Franken und Rappen muss stimmen.

Klare Ausgangslage, unklares Studiendesign
Ein negativ-Beispiel für eine schlecht präsentierte Studie ist leider der ODIS (Once Daily ISentress) trial unter der Leitung von Vincent Soriano in Madrid: Hier ging es um once or twice daily Raltegravir. Die Ausgangslage für die Studie ist zwar klar: Raltegravir, der neue Integrasehemmer muss heute noch zweimal täglich eingenommen werden. Doch die zweimal tägliche Therapie könnte bald fallen. Denn Raltegravir bindet sich ja intrazellulär an den Integrase-DNA Komplex. In diesem Komplex bleibt das Medikament praktisch fest gebunden bis der Komplex selber verschwindet (HWZ 7.3h).

Das Problem ist das Studiendesign. Die Hypothese ist, dass die Wirkung von Raltegravir bei einmal täglicher Einnahme so gut wie zweimal täglich sein wird. Doch das Studiendesing ist seltsam. Zuerst werden 2/3 der Patienten mit vollst. supprimierter Viruslast unter einem geboosteten Proteasehemmer (PI/r) auf QD Raltegravir der dritte Drittel auf BID Raltegravir randomisiert. Die BID-Gruppe wird nach 12 Wochen wegen "fehlenden Anzeichen für einen Unterschied" 1:1 wiederum auf QD vs. BID randomiseirt. Somit gibt es eigentlich für den experimentellen QD Arm gar keine Kontrollgruppe. Auch fehlt im Studienprotokoll eine Power Berechnung, bei den kleinen Zahlen (35 Patienten im BID Arm über 24 Wochen) kann man schon davon ausgehen, dass die Studie nicht genügend Power hat, um einen Unterschied zu entdecken.

Was ich nicht weiss, mach mich nicht heiss
Ein einfaches Rezept, wenn man zeigen will dass zwei Behandlungen gleich gut sind, ist die Wahl einer zu kleinen Sample Size (Power). Ein möglicher signifikanter Unterschied zwischen zwei Behandlungen ist dann nicht zu entdecken. Damit kann man sich natürlich auf Lorbeeren ausruhen: Kein Unterschied gefunden, also ist die Behandlung auch mit einmal täglich ok. So einfach geht das nicht, Herr Soriano.

Wie zu erwarten war, fand sich zwischen den beiden Behandlungsgruppen (QD/BID) kein signifikanter Unterschied. Doch betrachen wir uns mal die nebenstehende Grafik (Ausschnitt): Gelb für BID, Blau für QD (grün alle gemischt!). Sieht nicht gerade überzeugend nach "kein Unterschied" aus, auch wenn der p-Wert nicht signifikant ist. Klares Powerproblem.

Ein weiteres Zeichen für die schlechte Qualität der Studie ist die Angabe, dass die Studie unter clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT00941083 immer noch als offen eingetragen ist. Auch kann ich mir fast nicht vorstellen, dass die Studie ohne jegliche finanzielle Unterstützung von gar keiner Quelle ausgekommen ist. Sieht sehr verdächtig nach einem (nicht deklarierten) Pharma-Sponsoring aus. Was auch unklar bleibt, weshalb die EATG in ihrem Kongressbericht diese Studie so positiv schildert. Vielleicht habe ich es aber auch nicht verstanden…(EATG & you). Auch kann ich nicht nachvollziehen, wie die EATG einen winzigen Abfall der Lipidwerte so grossartig als Erfolg ausweist. 

Raltegravir nichts für Monotherapie…
… könnte eine Nebenaussage der Studie sein. Denn die Autoren haben gezeigt, dass Patienten mit vorbestehender NRTI-Resistenz eine deutlich erhöhte Versagerrate haben im OD-Arm haben. Das ist interessant und bei der kleinen Fallzahl relevant, denn unter der PI/r-Therapie blieben die Patienten auch mit den resistenten NRTI supprimiert. Es scheint also doch ein Unterschied in der antiretroviralen Potenz eines PI/r und Raltegravir zu geben. Mindestens würde ich dies aus den Resultaten ableiten.

Doch überzeugen Sie sich selbst:  Vispo, et.al. – Abstract MOAB0103 / Slides mit Audio  /  Präsentation (.ppt)

Katalanische Studie sicher überlegen
Deutlich besser war die SPIRAL study unter Jose Gatell aus Barcelona unterwegs. Es ist in der Tat wunderlich weshalb die beiden Autorengruppen im gleichen Land nicht eine einzige, genügend gepowerte Studie machen können. HAt dies mit den alten Rivalitäten zwischen Katalanen und Spaniern zu tun?

Die SPIRAL-Studie hat ebenfalls Patienten mit supprimierter Viruslast unter einer PI/r therapie ausgwählt. Doch hier wurde eine Fortsetzung der PI/r Behandlung mit einer randomisierten 1:1 Umstellung vom PI/r auf Raltegravir (400mg bid) gewählt und auch die Sample Size (Power-) Calculation wurde durchgeführt. Die Studie war als non-inferiority Studie geplant (Limit Difference 12.5%, was relativ hoch ist).

Resultate solid und klar
In dieser Studie waren die Resultate sehr klar. Die beiden Behandlungsarme waren in Bezug auf den primären Endpunkt (% mit Thearpieversagen) identisch. Aber auch alle anderen sekundären Endpunkte waren identisch bei vergleichbaren Baseline Charakteristika. In den Patienten (4 unter RAL, 6 unter PI) mit Therapieversagen war die Viruslast meist gering (daher kaum Resistenzanalyse).

In dieser Studie fand sich im Gegensatz zum ODIS Trial eine deutliche Verbesserung der Lipidwerte und weniger Patienten wurden mit Lipidsenker (verbesserung in TG, Chol, HDL und Chol/HDL-Ration) behandelt.

Anton Pozniak wollte bei der Diskussion wissen, ob es möglich sei, dass Patienten mit vorbestehender Resistenz weniger in die Studie eingeschlossen wurden. Gatell sieht dies als unwahrscheinlich an, weil fast 30% der Patienten eine vorbestehende Resistenz auf NRTI hatten.

Im Gegensatz zum ODIS trial hat die SPIRAL study sehr schön gezeigt, dass die Wirksamkeit von Raltegravir doch den Protease-Hemmern ebenbürtig ist. Es fragt sich, ob der zwar signifikante, aber kleine Nutzen bei den Lipiden eine Umstellung auf eine doch viel teurere Therapie rechtfertigt. Insbesonder wollen wir auch immer wieder warnen vor dem unkontrollierten Einsatz neuer Substanzen. Denn es braucht immer seine Zeit, bis wir die wirklichichen Nebenwirkungen von neuen Substanzen kennen.

Jose Gatell et al, MoAB0103: Präsentation (.ppt)  / Slides mit Audio