Nachweisbare HIV RNA im Liquor unter LPV/r Monotherapie, ein Fallbericht…
Ein Fallbericht aus Frankreich im AIDS bestätigt unsere Beobachtungen der MOST Studie: Wenn es unter Monotherapie zu einem virologischen Versagen im Blut kommt, kann die nachgewiesene Viruslast im Liquor deutlich höher sein als die im Blut, respektive unterdrückte Viruslast im Blut heisst nicht gleich supprimierte Viruslast im ZNS!
Folgende Situation:
39-jährige Patientin aus Süd-Amerika, HIV positiv getestet im Januar 2002, CD4 Zellzahl 740/ul. Im Februar 2002 wurde eine antiretrovirale Behandlung im Rahmen einer Schwangerschaft mit Combivir und Kaletra begonnen.
Die antiretrovirale Therapie wurde nach der Geburt unverändert weitergeführt. Ein kurzer Therapieunterbruch über 3 Monate fand 2004 statt, während des Unterbruch waren 3.8 log10 cp/ml im Blut nachweisbar.
Es handelt sich um HIV-1, Genotyp M-CRF12_BF mit Resistenzmutation 103S, 106I, 190A auf dem Reverse Transcriptase Gen und 10I, 20R, 35D, 36I, 41K, 54V, 82A auf dem Protease Gen. Trotz leicht eingeschränkter Empfindlichkeit gegenüber LPV, wurde die gleiche Therapie (Combivir und Kaletra) nach dieser 3-monatigen Unterbrechung wieder gestartet und bis Januar 2006 durchgeführt. In dieser Zeit war die Viruslast vollständig supprimiert und die CD4 Zellzahl hoch mit 950/ul.
Im Januar 2006 wurde Combivir durch Truvada ersetzt, zur Verhinderung allfälliger unerwünschter Langzeittoxizität unter Combivir. Die Therapie mit Truvada und Kaletra wurde bis Januar 2008 durchgeführt, die Viruslast war auch unter dieser Therapie optimal supprimiert.
Aus Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen von Truvada auf den Knochen- und Nierenstoffwechsel wurde die Therapie mit Truvada gestoppt und auf eine maintenance Therapie mit Kaletra mono (LPV/r 400mg 2 x tgl) umgestellt. Das heisst Monotherapie Start Januar 2008. Im Juni 2009 wurde die Viruslast als < 20cp/ml dokumentiert, CD4 Zellzahl 992/ul, und die LPV/r Konzentration im Blut war mit 10730 ng/ml sehr hoch.
Rund 18 Monate später, am 26. August 2009, wurde die Patientin auf die Notfallstation mit Fieber 38°C, Kopfschmerz, Schwindel, eingeschränktes Gesichtsfeld und moderater Nackensteife gebracht.
Die Viruslast im Blut war mit 2.5 log10 cp/ml nachweisbar, CD4 Zellzahl 855/ul.
Im Liquor fanden sich folgende Reultate: milde Pleozytose (240 Zellen/ml, 80% Lymphozyten, erhöhtes Albumin 0.94g/l, normale Glucose und negative Bakterienkultur. Die HI-Viruslast war allerdings mit 3.4 log10 cp/ml fast eine Zehernpotenz höher als im Blut. Im Liquor waren keine anderen Viren (CMV, EBV, HSV, Entero, VZV und JC) waren nachweisbar.
Der HIV-Genotyp in Blut und Liquor war identisch mit dem 2004 dokumentierten Virus, abgesehen von einer 54V Mutation (fehlend 2009). Die LPV/r Konzentration im CSF war tief, 9ng/ml, Blutkonzentration von LPV/r 4580ng/ml. Die Adherence sei optimal gewesen, aber es wurde über 3 Monate, vor dem Auftreten der Symptome, eine Therapie mit Orlistat 2x60mg (self-medication) durchgeführt. Es wurde die Diagnose einer Meningitis und milden Enzephalitis i.R der HIV Infektion gestellt. Die Therpie wurde auf Abacavir, Darunavir/r, und Raltegravir umgestellt, mit dem Ziel einer besseren Penetration der HIV-Substanzen ins Gehirn. Die klinischen und neurologischen Symptome wurden rasch besser und die Viruslast im Blut war 2 Wochen nach Intensivierung wieder supprimiert < 20cp/ml.
Zusammenfassung: HIV assosziierte Meningoenzephalitis bei Patientin mit vorgängiger Suppression über 5 Jahre, inklusive 18 Monate LPV/r Monotherapie. Bei der klinischen Präsentation ist die HI-Viruslast im Liquor deutlich höher als im Plasma.
Diskussion:
Die Autoren postulieren aufgrund der höheren Viruslast im Liquor und des veschiedenen Genotypes 2009 vs 2004 (fehlende 54V Mutation), dass eine unabhängige HIV Replikation im ZNS stattfand. Trotz kontinuierlichem Selektionsdruck durch LPV/r konnte eine HIV Variante (ohne die 54V Mutation) im Liquor selektioniert werden.
Verschiedene Faktoren könnten dazu geführt haben. Die LPV/r Konzentration im Liquor war tief, möglicherweise war die Absorption/Resorption von LPV/r durch Orlistat (Xenical) beeinträchtigt. Die minor Protease Gen Mutationen haben die Effektivität von LPV/r ebenfalls beeinträchtigt —–> weniger Wirkung durch tiefere Plasmakonzentration (resp. Liquorkonzentration) aufgrund der möglichlichen eingeschränkten Resorption (Orlistat), und vorliegende minor Muationen im Protease Gen. Diese Beobachtungen führen zum Schluss, dass es unter PI-Monotherapie zu einem höheren Risiko eines "viral escape" kommt, im speziellen im ZNS.
Unsere Beobachtungen der MOST Studie zeigen, dass die Viruslast im Liquor bei Patienten, die unter LPV/r Monotherapie ein Therpieversagen hatten, meist höher ist als im Blut. In der kontrollierten, randomisierten MOST Studie (LPV/r maintenance vs. combination tx), fanden sich 6 Therapieversager im Monotherapie Arm, welche sowohl im Blut (> 2.6 log10 cp/ml), als auch im Liquor nachweisbare HIV RNA zeigten, bei 4/5 (bei einem Patienten wurde keine LP durchgeführt) war die Viruslast im Liquor deutlich höher als im Plasma (> 1 log).
Interessanterweise konnten wir auch Patienten dokumentieren, die im Blut optimal supprimiert waren, aber dennoch nachweisbare Viruslast im Liquor hatten. Die Voraussetzung überhaupt auf LPV/r Monotherapie und damit in die Studie aufgenommen zu werden war allerdings, dass keine Resistenzmutationen und kein vorheriges Therapieversagen vorlagen, im Gegensatz zum vorliegendem Fallbericht (vorbestehende Mutationen dokumentiert). In unserem Fall konnten auch nach Versagen keine Resistenzmutationen dokumentiert werden, wie bei den Kollegen in Frankreich waren auch unsere Patienten nach Umstellung auf Kombinationstherapie wieder vollständig supprimiert und die klinischen Symptome waren verschwunden.
Die suboptimale Virussuppression unter Monotherapie im ZNS bleibt eine Sorge. Hier sind weitere Untersuchungen angezeigt um unseren Patientin weiterhin eine optimale Therapie, vielleicht auch einmal Monotherapie, empfehlen zu können. Wir sind gespannt…………….
Quelle: de Truchis et al, AIDS. 2010 May 15;24(8):1235-6