Neuropsychologische Tests und HIV Therapie – Ein paradoxes Studienresultat?
Verschiedene Studien (s. Bericht) haben bereits nachgewiesen, dass HIV Patienten mit neurokognitiven Störungen höhere HIV-Viruskonzentrationen in der Gehirnflüssigkeit aufweisen als Patienten mit normalem neuropsychologischen Testbefunden.
Eine neue Studie in Neurology beschreibt ein paradoxes Resultat.
Die Autoren dieser Studie wollten zeigen, dass bei einem Therapieunterbruch die Anzahl von Patienten mit Neurokognitiven Störungen grösser wird respektive dass solche Störungen während einem Therapieunterbruch stärker auftreten.
Um diese Hypothese zu prüfen, wurden symptomfreie HIV Patienten, welche eine HIV-Therapie unterbrechen wollten, prospektiv in eine Studie eingeschlossen und alle 6 Monate untersucht, bis die Patienten die Therapie wieder aufgenommen haben.
Neuropsychologische Testbatterie
Die Teste, welche hier zur Überprüfung von Neuropsychologischen Defekten eingesetzt wurden, waren weitgehend dieselben, die wir auch im Rahmen der MOST-Studie eingesetzt hatten (Trail-Making A & B, Digit Symbol). Aus den Testresultaten lässt sich ein Score ableiten. Beim Trail Making test muss der Proband auf Zeit Kreise mit Nummern aufsteigend verbinden, wobei bei Test B die Reihenfolge noch komplizierter wird, und mit Farben oder Buchstaben abgewechselt werden. Im Digit Symbol Test muss einem Symbol jeweils nach einer Vorlage eine Zahl zugeordnet werden und die richtigen Zuordnungen pro Zeit werden bewertet.
Beide Tests beurteilen komplexe Auffassungsgabe und motorische Fähigkeiten. Sie sind für neurokognitive Störungen bei HIV gut etabliert.
Ein überraschendes Resultat
Die Studienresultate haben auch die Autoren überrascht. Die Patienten zeigten nach Absetzen der Therapie eine zwar geringgradige, aber signifikante Verbesserung der Testresultate. Zwar könnte man sagen, dass ein Lerneffekt diesen "Fortschritt" verursacht hat, aber die kontinuierliche Besserung der Scores über die Zeit entspricht nicht einem Lerneffekt, der normalerweise nach 3 Übungen abbricht. Die 6 Monate Pause zwischen der Untersuchungen schliesst einen Lerneffekt auch nicht auch, macht ihn aber nicht gerade wahrscheinlich.
Die Resultate sind schwierig zu interpretieren. Auffallend die Tatsache, dass nur knapp ein Drittel der Probanden vor Therapieabbruch eine vollständig supprimierte Viruslast hatten. Möglich, dass die Probanden mit schlechter Virussuppression das Resultat einseitig beeinflusst haben. Die Studie gibt keine genauen Auskünfte, welche Medikamente eingesetzt wurden, doch nur etwa ein Drittel hatte ein NNRTI, was eine Therapie mit Efavirenz als Ursache für einen schlechteren neuropsychologischen Test unter Therapie unwahrscheinlich machen.
Wie schon die Autoren, haben auch wir schwierigkeiten zu verstehen, weshalb der Score ansteigt. Letztendlich muss ein Lerneffekt als wahrscheinlichste Ursache gelten. Wenn dies so ist, so wären diese Tests für die klinische Routine (Screening, Verlaufskontrolle) aber kaum einsetzbar.
Queille: Robertson et al, Neurology, 2010