Übergewicht und HIV: Einfluss auf Immunstatus?

Unter einer HIV-Therapie kommt es in der Regel zu einer guten Erholung der Immunschwäche, gemessen an der Erholung der CD4 Werte. Der Effekt ist nicht bei allen Menschen gleich gut. Spielt Übergewicht eine Rolle?

In dieser Amerikanischen Multizenterstudie wurde nicht direkt diese Frage untersucht. Aber es ging um den Zusammenhang zwischen Body Mass Index (BMI)  und CD4 Zellzahl. Um den Effekt des (Über)gewichts auf die CD4-Zellzahl zu untersuchen, wurden 1001 Patienten mit dokumentierter HIV Serokonversion bezüglich BMI Klassen und Änderungen der CD4-Zellzahl untersucht.
Vor der HAART Ära war ein höherer BMI mit einer weniger starken Reduktion der CD4-Zellzahl über die Zeit assoziiert. In der HAART Ära fällt jedoch auf, dass übergewichtige Patienten einen weniger starken Anstieg der CD4-Zellzahl unter Therapie haben. Tiefere CD4-Zellzahl, respektive eine langsamere Erholung der CD4-Zellzahl, könnte eine weitere unerwünschte Nebenwirkung des Übergewichts sein.

Das Problem
Die Prävalenz für Übergewicht ist auch bei den HIV positiven Patienten steigend. Obwohl man weiss, dass sich zu viel Gewicht für einige medizinische Aspekte ungünstig auswirkt, ist der Einfluss auf das Immunsystem noch nicht geklärt.
Vor der Einführung der HAART haben Studien gezeigt, dass Untergewicht mit tieferer CD4-Zellzahl und kürzerem Überleben assoziiert war, demgegenüber höher Gewichtige eine weniger schnelle HIV Progression zeigten. Seit der HAART Einführung sieht man das sog. wasting syndrom selten und die Bedeutung des Gewichtes, insbesondere des Übergewichtes und der Adipositas, hat sich verändert.
Die Studie aus Amerika untersuchte die Beziehung zwischen longitudinalen Gewichtsmessungen, respektive BMI Messungen, und der CD4-Zellzahl von 1001 Patienten mit dokumentierter HIV Serokonversion (Daten aus der US Military HIV Natural History Study 1986-2008).

Resultate:
Von den 1001 dokumentierten Patienten waren 400 übergewichtig (BMI 25-30), 84 adipös (BMI > 30) und 12 waren untergewichtig (BMI < 18) bei HIV Diagnosestellung. Durchschnittliches Alter war 29 Jahre, 96% waren Männer, 45% Weisse, 40% Afro Amerikaner. Bei 61% Patienten wurde die Diagnose in der HAART Ära gestellt.
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Tabelle 1 (Klicken auf Bild für Vergrösserung) zeigt die Resultate; 394 Patienten wurden vor der HAART Ära positiv getestet, die CD4-Zellzahl nahm weniger ab, wenn der BMI höher war. Verglichen mit normalgewichtigen Patienten hatten übergewichtige und adipöse Patienten eine geringere Reduktion der CD4-Zellzahl.
607 Patienten wurden in der HAART Ära positiv getestet, der Anstieg der CD4-Zellzahl war signifikant kleiner bei den adipösen Patienten gegenüber den Normalgewichtigen. 

Diskussion:
Die Studie versucht zu zeigen, dass das Gewicht die CD4-Zellzahl während der HIV Infektion beeinflusst und zwar mit unterschiedlichem Auswirkungen vor bzw. in der HAART Ära. Vor der HAART Ära ging eine höhere BMI Klasse mit einer weniger ausgeprägten Reduktion der CD4-Zellzahl einher, dieser positive Effekt konnte nach Einführung der HAART nicht mehr dokumentiert werden, im Gegenteil, bei adipöse Patienten ist der absolute und prozentuale Anstieg der CD4-Zellzahl geringer. Diese Daten lassen vermuten, dass Adipositas mit einer schlechteren Erholung des Immunsystems einhergeht, vorausgesetzt der Zugang zu der antiretroviralen Therapie ist gewährleistet.
Frühere Studien aus der prä-HAART Ära zeigten, dass mehr Gewicht mit stabileren CD4-Werten, langsamerer HIV Progression und verbessertem Überleben assoziiert war. Diese Beobachtungen wurden erklärt, dass "Gewichtsreserven" in Form von "Fettpolstern" möglicherweise vor schwerem wasting und AZ-Zerfall bei AIDS definierenden Erkrankungen schützen und das Immunsystem schützen.
Da die Inzidenz von wasting und schweren AIDS Erkrankungen dank der Einführung der HAART abgenommen hat, ist der mögliche positive Einfluss des Gewichtes verschwunden.
In der vorliegenden Studie konnte bei adipösen Patienten, deren Serokonversion in der HAART Ära dokumentiert wurde, eine weniger starke Zunahme der CD4-Zellzahl (absolut und prozentual) gegenüber Normgewichtigen dokumentiert werden. Der mögliche Vorteil von Übergewicht auf die CD4-Zellzahl vor Einführung der HAART ist sicherlich nicht mehr vorhanden, im Gegenteil, Adipositas könnte die Erholung der CD4-Zellzahl negativ beeinflussen. Ausserdem wissen wir, dass Übergewicht und Adipositas sich auch auf viele andere gesundheitlichen Ebenen negativ auswirken kann.

Was ist nun aber die Erklärung der Studie für die Beobachtung? Adipositas ist assoziiert mit der Erhöhung von entzündlichen Markern (CRP und Interleukin-6) und Adipokine hätten negative Auswirkungen auf das Immunsystem. Möglicherweise hat Übergewicht/Adipositas auch einen negativen Effekt auf die ART-Medikamentenspiegel, weil die lipophilen Medikamente in dieser Population ein grösserer Verteilungsvolumen im Fettgewebe haben. Hier werden sicher noch weitere Studien folgen, welche diese Hypothese untersuchen werden.

Fazit: Adipositas und HIV positivität hat nebst allen übrigen medizinischen Problemen (Kerz-Kreislauf, Gelenke, Stoffwechsel….), die schon ohne HIV problematisch sein können, auch noch einen negativen Einfluss auf die CD4-Zellzahlerholung.
 
Quelle: Crum-Cianflone  et al, AIDS 5.3.2010, ahead of print