3. April 2010

Neue Therapieoption bei Kopfläusen – Eine Übersicht

Kopfläuse begleiten uns seit Menschengedenken. Wir kennen das Problem vor allem bei Kindern. Es scheint, als ob der Befall wieder eher zunimmt. Neuste Daten weisen auf eine Resistenzentwicklung der Parasiten gegen ein häufig eingesetztes Medikament hin.

Epidemiologie
Läuse sind streng humanspezifische Ektoparasiten, Tierläuse können sich beim Menschen nicht entwickeln. Die Inzidenz des Kopflausbefalls nimmt in den letzten Jahren wieder zu, über 100 Millionen Menschen sind jährlich betroffen, vor allem Kinder zwischen 3 und 11 Jahren. Die Inzidenz des Kopflausbefalls steigt generell transient nach den grossen Ferien (Sommerreisen) an.

Die Übertragung der Kopflaus erfolgt fast ausschliesslich von Mensch zu Mensch bei nahem Körperkontakt. Andere Übertragungswege z.B von Gegenständen (Kämme, Bürsten, Bettwäsche, Kleidung etc.) bilden die Ausnahme. Den Befall begünstigen „enge Lebensgemeinschaften“, Kindergärten und Schulen.

In der kürzlich erschienen Studie aus dem NEJM wird nun über eine zunehmende Resistenz der Läuse gegenüber topischen Substanzen der Pyrethroid Gruppe (bereits 1990 vermutet), respektive auch in zunehmenden Masse gegenüber dem Organophosphat Malathion berichtet und die Möglichkeit einer systemischen Behandlung mittels dem antiparasitären Mittel Ivermectin.

Wichtig: Kopflausbefall hat mit fehlender Sauberkeit nichts zu tun!

Erreger
Die Kopflaus ist ein flügelloses, ausgewachsen etwa 2.1 bis 3.3 mm gosses, dorsoventral abgeplattetes Insekt. Sie lebt in der Regel permanent auf ihrem Wirt im Kopfhaar. Läuse haben sechs mit klauenartigen Fortsätzen versehene Beine , sowie Mundwerkzeuge mit denen sie stechen und saugen können. Sie nehmen mehrmals täglich Blut als Nahrung auf (alle 2 bis 3 Stunden), zugleich bringen sie Speicheldrüsensekrete in die Wunde ein. Getrennt von ihrem Wirt könne Kopfläuse nur 24 bis 36 Stunden, in Ausnahmefällen 55 Stunden überleben. Meist fallen aber nur bereits geschwächte und nicht mehr kontagiöse Läuse ab.


Befruchtete Läuseweibchen kleben mit wasserunlöslichem Kitt aus der Anhangsdrüse des Ovars täglich 6 bis 9 Eier in Form der ovalen 0.8mm langen Nissen an die Haare in der Nähe der Kopfhaut (maximal 1cm entfernt). Sie können während ihres rund vierwöchigen Lebens rund 90 bis 140 Eier produzieren. Nach ca. 7 bis 8 Tagen schlüpfen aus den Eiern die Larven. Diese werden nach mehreren Häutungen ca. 9 bis 11 Tagen zu geschlechtsreifen Läusen. Die Eiablage erfolgt ca. 2 bis 3 Tage nach der Paarung. Der gesamte Zyklus dauert 14 bis 28 Tage. Die Eier bleiben, nachdem die Larven geschlüpft sind, als weissliche, leere deckellose Nissen haften und wachsen mit den Haaren heraus.

Klinik
Leitsymptom ist ein variabler, oft intensiver Juckreiz. Durch Stiche der Kopfläuse entstehen hochrote, urtikarielle, juckende Papeln, unter anderem durch Immunreaktion gegen Speichelenzyme. Durch anschliessendes Kratzen duch den Läusewirt kann es zu Exkoriationen, punktförmigen Krusten und sekundärer bakterieller Superinfektion (Impetiginisierung) kommen. Man spricht von einem charakteristischen Läuseekzem, bevorzugt hinter den Ohren, am Hinterkopf und im Nacken. Es kann sogar zu regionalen Lymphknotenschwellungen kommen. Es wird beschrieben, dass der über längere Zeit beim Saugen immer wieder injizierte Speichel den Betroffenen sich „lausig“ fühlen lassen kann; Müdigkeit, Reizbarkeit und Verstimmung sind die Folge…

Diagnose
Die Diagnose wird durch den Nachweis von lebenden Läusen, Larven, oder entwicklungsfähigen Eiern gestellt. Häufig gelingt der Nachweis von Nissen, die sich entgegen von Kopfschuppen nicht vom Haar entfernen lassen. Eier mit noch enthaltener Larve erscheinen dunkel und finden sich immer nah an der günstig temperierten Ablagestelle, nämlich in der Nähe der Kopfhaut. Leere Eier wirken weiss und sind > 1cm von der Kofhaut entfernt, da sie mit dem wachsenden Haar (ca. 1cm pro Monat) herauswachsen. Kopfläuse selbst sind schwieriger zu finden, da die meisten Betroffenen höchsten 20 bis 30 Läuse beherbergen.
Es wird empfohlen das angefeuchtete Haar mit einem „Läusekamm“ Strähne für Strähne auszukämmen, spezielle Kämme mit einem Zinkenabstand von nicht mehr als 0.2 mm sind zu verwenden. Der Kamm soll so geführt werden, dass er von der Kopfhaut aus fest zu den Haarspitzen heruntergezogen wird. Nach jedem Kämmen wird der Kamm sorgfältig auf Läuse untersucht. Um Larven zu entdecken, kann eine Lupe hilfreich sein.

Therapie
Eine optimale Behandlung besteht in der Kombination chemischer, mechanischer und physikalischer Wirkprinzipien, so dass synergistische Effekte genutzt werden können.

  1. Topische Behandlung mit Insektiziden: Topische Anwendung sogenannter pedikuloziden Substanzen. Es muss eine Nachbehandlung stattfinden, da die ovozide Wirkung der pedikuloziden Substanzen gering ist. Zeitpunkt ca. nach 7 bis 11 Tagen. Gegenwärtig sind Präparate mit den Wirkstoffen Permethrin (Loxazol), oder Malathion (Prioderm) empfohlen. Es gibt Berichte über eine Zunahme der Pyrethroid Resistenz (Permethrin), so dass meistens auf das Organophosphat Malathion ausgewichen wird.
    Mögliche Fehler, die zu einem Therapieversagen führen sind zu kurze Einwirkzeit, zu sparsames Auftragen des Mittels, ungleichmässige Verteilung, Unterlassung der Wiederholungsbehandlung.
  2. Nasses Auskämmen: Eier und Nissen können durch Waschen mit Warmem Essigwasser (Einwirkzeit ca. 60 Minuten) in ihrer Anhaftung an das Haar gelockert werden und anschliessend mit einem Läusekamm ausgekämmt werden. Diese Behandlung kann unterstützend zur Anwendung kommen.
  3. Behandlung mit Tabletten: In der eingangs erwähnten Studie, wird bei Therapieversagern, d.h. fehlendem Ansprechen auf eine topische Behandlung, Ivermectin (400ug per kgKG, zweimal im Abstand von einer Woche) empfohlen.

Die medikamentöse Behandlung mit Ivermectin
In der genannten Studie wurde Ivermectin mit Malathion Lotion 0.5% verglichen. Die Studie sollte die Sicherheit und die Wirksamkeit von Ivermectin gegenüber topischer Behandlung beweisen. Die multizenter Studie wurde von Johnson and Johnson-Merck Sharp und Dohme-Chibret gesponsert. Die Autoren kommen zum Schluss, dass 2 x 400ug per kgKG  Ivermectin der lokalen Behandlung mit Malathion überlegen ist, wenn Resistenzen gegüber topischen Insektiziden vermutet werden.

Schlechter wirksam war Ivermectin in einer Dosierung von 200ug/kgKG (Glaziou P Trop Med Parasitol 1994). In dieser Studie wurden nur gerade 6 von 26
Personen geheilt. Ivermectin wurde bereits erfolgreich bei der Behandlung von Wurmerkrankungen eingesetzt, allerdings ist dieses antiparasitäre Medikament für die Bekämpfung von Kopfläusen in der CH nicht zugelassen.

Weitere Behandlungsmethoden
Es gibt zahlreiche weitere alternative natürliche oder pflanzliche Produkte wie Teebaum, Anis-Kokossnussöl etc. deren Wirksamkeit und Sicherheit weniger gut untersucht sind. Unzureichende Therapien verlängern die Ansteckungsgefahr.

Begleitende Massnahmen
Empfohlene Massnahmen zur Vehinderung einer Re-infektion / Übertragung sind das Waschen und Wechseln der Bettwäsche und möglicherweise der Kleidung bei über 60°C. Kämme und Bürsten sollten für über 30 Sekunden in über 60°C heisses Wasser gelegt werden. In der Wohnung verstreute und eventuell an Kopfstützen und Polstermöbel haftende Haaare sollten mit dem Staubsauger entfernt werden.
Nicht waschbare Plüschtiere können z.B durch Einfrieren (-18°C) über 24 Stunden läusefrei gemacht werden.
Im allgemeinen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die auf Kopfkissen, Mantelkragen oder Stofftier gefundenen Läuse nicht mehr besonders kontagiös sind, da sie schon ziemlich ausgehungert sind.

Schulausschluss
Vielerorts gilt  noch die Regel, dass Kinder bis zur vollständigen Nissenfreiheit von der Schule ausgeschlossen werden. Nissen, d.h leere Eihüllen, die einen Zentimeter oder mehr über der Kopfhaut sitzen, sind kein Indiz für einen aktuellen Befall und kein Hinderungsgrund mehr für den Schulbesuch.
Nach erfolgter Behandlung kann das Kind sofort wieder Schule oder Kindergarten besuchen. Natürlich sollte ein Läusefall in der Klasse eine Umgebungsuntersuchung nach sich ziehen.
Oft gerät das Lehrpersonal unter Druck, weil Eltern auf der Suche nach einem Schuldigen das erste „Läusekind“ ausschliessen möchten. Hier hilft nur Aufklärung.
Kopfläuse sind häufig. Sie sind so lästig und harmlos wie ein Schnupfen. Es gibt wirkungsvolle und ungefährliche Behandlungsmethoden. Und niemand muss sich wegen Kopflausbefalls schämen! Dieses Wissen sollte der Arzt den oft verunsicherten Betroffenen mit auf den Weg geben.

Fazit: Nach wie vor bleibt die korrekte Anwendung topischer Substanzen Mittel der Wahl zur Bekämpfung von Kopfläusen!

Studie: Oral Ivermectin versus Malathion Lotion for difficult to treat head lice, NEJM März 11 2010