Warum werden afrikanische Kinder gehäuft im Kleinkindalter mit EBV, CMV, Kaposisarkom-assoz. Herpesvirus und Hepatitis B infiziert?

Welche Rolle könnte dabei Exposition mit dem Speichel von Bezugspersonen spielen? 

 

Afrikanische Kinder erwerben EBV und CMV im allgemeinen in früher Kindheit; ein Grossteil der Hepatitis B-Infektionen, wenn nicht bei der Geburt übertragen, wird, wie auch das Kaposisarkom-assoziierte Herpesvirus, zwischen dem 1. Lebensjahr und der Pubertät erworben.

All diesen Viren gemeinsam ist ihre Präsenz in Speichel.
Wenig bekannt ist aber bisher, wie die Kinder genau mit Speichel exponiert werden, und ob diese Exposition im Kontext der Lebensbedingungen vermeidbar wäre. 

Ethnografien haben über verschiedene Rituale berichtet, bei denen Speichel in medizinischen-, rituellen- und Ernährungspraktiken eingesetzt wird.
Welche dieser Praktiken werden aber aktuell eingesetzt, sind am häufigsten und werden von welchen Bezugspersonen eingesetzt?


Ein Team der University of California, San Francisco, und der Universität von KwaZulu-Natal, Durban, haben in Südafrika in 2 Regionen (eine ländlich, eine städtisch) mit mehrheitlicher Zulu-Bevölkerung zuerst untersucht, wer bei der Betreuung von Kindern im Alter von bis zu 6 Jahren in welchem Ausmass eingebunden ist.
Darauf aufbauend, haben sie anhand von Beobachtungen und semistrukturierten Interviews das Verhalten dieser Bezugspersonen erhoben. Dabei wurde detailliert darauf geachtet, ob und wie dabei Speichel von der Bezugsperson auf das Kind übertragen werden könnte.
Die dabei am häufigsten berichteten Situationen mit Speichel-Übertragungsrisiko betreffen das
-Weiterreichen von Süssigkeiten (68%), das Vorkauen von Nahrungsmitteln (66%) und von medizinischen
        Pflanzen, die anschliessend auf Kopf, Gesicht und Körper des Kindes gerieben werden (64%)
– deutlich weniger wurde Reinigung von Gesicht oder Hand/Fingern eines Kindes mit Hilfe von Speichel
        berichtet (um 28%)
– in 29% wurde beobachtet, wie von den Bezugspersonen ein Kräuterbrei (traditionelle Zulu-Medizin) mit dem
        Mund oder einer Art Rohr in die Nasenlöcher des Kindes geblasen wurde.
– andere Praktiken wie gemeinsame Benutzung von Instrumenten zur Mundreinigung oder Speichelapplikation auf
        Insektenstiche waren unter 20% vertreten
– überraschend fanden sich aber in 27% zusätzlich Praktiken, bei denen die rektale Mucosa des Kindes  mit
        Speichel exponiert wurde (bei traditionellen Heilmethoden zur Erleichterung von Verstopfung; durch
        Einführung von speichelbenetzten Fingern oder Einblasen von Heilmitteln durch ein Röhrchen)

Bei den meisten der berichteten Situationen fand sich Durchführung vor allem durch Mütter und Grossmütter; letztere (einige von ihnen zugleich traditionelle Heilerinnen) führten signifikant häufiger die genannten rituellen Heilmethoden durch. Kinder in der ländlichen Gegend wurden stärker exponiert.

Einschränkungen:
Ein Beweis, dass just die genannten Praktiken für die Übertragung der genannten Krankheiten relevant sind, wurde nicht erbracht. zusätzlich könnten weitere, nicht erfasste Expositionen der Kinder hinzukommen.

Dennoch, mögliches Fazit:
– Grundsätzlich handelt es sich um Praktiken, die vermeidbar wären. Allerdings hätten nach Angaben der
      Autoren einige der genannten Situationen eine hohe kulturelle Bedeutung (wie das Auftragen von zerkauten
      Kräutern auf den Körper, zur Abwendung böser Geister)

Und interessante Zusatzbemerkung der Autoren:
bei homosexuellen Männern in den USA sei der Einsatz von Speichel als Gleitmittel bei Analverkehr bekannt.
       Könnte das den hohen Durchseuchungsgrad mit Kaposisarkom-assoziiertem Herpesvirus erklären, der ja 
       sonst in den USA ungewöhnlich ist?

Quelle:

Bulter LM et al., Tropical medicine and internat. health, April 2010