Geht’s auch andersrum ?
Die Transmission von Chlamydia trachomatis und Neisseria gonorrhoe durch ungeschützten Vaginal-/ Analverkehr und von der Urethra beim Mann in den Oropharynx (via Oralsex) ist bekannt und beschrieben.
Es existieren aber nur wenige Daten, welche die umgekehrte Transmission, also vom Oropharynx in die männliche Urethra, untersuchten. Fallberichte lassen darauf schliessen, dass der Oropharynx ein wichtiges Reservoir für eine Übertragung darstellen könnte.
Eine kleine Bemerkung zur Begrifflichkeit; Fellatio=“Deepthroating“ stellt eine Form des Oralverkehrs dar.
Die Autoren untersuchten in der San Francisco City Clinic im Jahre 2007 die Besucher der Klinik und teilten diese dann in zwei Gruppen ein; Erste Gruppe: MSM ohne Vaginal und Analverkehr, sondern „nur“ ungeschütze Fellatio während den letzten drei Monaten und eine zweite Gruppe MSM mit ungeschütztem insertivem Analverkehr, ohne Vaginalverkehr, in den letzten drei Monaten. Bei beiden Gruppen wurde die Diagnostik mittels PCR auf C. trachomatis und N. gonorrhoe veranlasst. (Urinproben: Gen-Probe APTIMA Combo 2; Gen Probe). Gleichzeitig fand ein standartisiertes Interview mit dem Patienten statt, welches die Gründe für die aktuelle Visite sind, Symptome und Risikosituationen in Bezug auf Sex und Drogen in den letzten 3 Monaten.
Chlamydia trachomatis und Neisseria gonorrhae Infektionen sind die zwei häufigsten meldepflichtigen Erkrankungen in den Vereinigten Staaten. 2007 gingen über 1 Million Fälle von Chlamydieninfektionen und fast 360’000 Fälle von Infektionen mit Neisseria gonorrhoe Meldungen beim Center for Disease Control und Prevention ein.
N. gonorrhoe und C. trachomatis rufen, Urethritis, Proktitis etc hervor. Unbehandelte Infektionen sind langfristig mit Infertilität, pelvic inflammatory disease, ektoper Schwangerschaft bei der Frau, bei den Männern ebenfalls die Infertilität, Epidydimitis und Prostatitis verbunden. Die Infektion mit Chlamydien und Gonokokken ist ebenfalls assoziiert mit einem erhöhten Risiko für die Übertragung von HIV. Die effektive Behandlung eradiziert die Infektion, hilft Komplikationen zu verhindern und hat einen wichtigen public health benefit, indem die Transmission verhindert wird und die Reservoire (Oropharynx/Rektum) eradiziert werden.
Nachdem über Chinolon resistente N. gonorrhoe Stämme berichtet wurde, sehen die Behandlungsvorschläge folgendermassen aus: Ceftriaxon 125mg 1 x i.m (Alternativ 1 x 2gr i.v (weniger schmerzhaft)) oder Cefixim 400mg 1 x per os. Die orale Applikation hat eine weniger gute Wirksamkeit bei pharyngealer Infektion, deshalb i.m, resp. i.v Therapie empfohlen. Die C. trachomatis Infektion wird mit 1 x 1gr Azithromycin per os behandelt resp. bei ausgeprägteren Symptomen Doxycyclin 100mg 2 x tgl. per os für 7 Tage.
Zurück zu der Studie aus San Francisco; 2 Gruppen: Untersuchung der Positivität für C. trachomatis und N.gonorrhoe; C.trachomatis und N.gonorrhoe Positivität mit oder ohne uerthrale Symptomatik, HIV positivität und Exposition zu Partner mit Chlamydien oder Gonokokken (Selbsteinschätzung).
397 (7.0%) Konsultationen von MSM mit Fellatio und 1129 (19.8%) Patienten mit ungeschütztem insertiven Analverkehr. Von den 397 Patienten mit Fellatio hatten 393 (99%) kein Kondom gebraucht.
Chlamydia trachomatis: 19/397 (Fellatio Gruppe) mit positivem Nachweis, 4.8%. 79/1129 (Insertiver Verkehr) mit positivem Nachweis, 7.0%. Von den 19 Patienten (Fellatio Gruppe) hatten 9 urethrale Symptome, 10 waren symptomfrei. Bei den 79 Patienten (insertive Gruppe) fanden sich 53 mit urethralen Symptomen und 26 ohne urethrale Symptome. HIV Status Fellatio Gruppe 8/50 positiv resp. 10/335 negativ. HIV Status Insertive Gruppe 27/372 positiv, resp. 52/748 negativ.
Neisseria gonorrhoe: 16/395 (Fellatio Gruppe) mit positivem Nachweis, 4.1%. 84/1121 (Insertiver Verkehr) mit positivem Nachweis, 7.5%. Fellatio Gruppe: Urethrale Symptome bei 107, davon 14 positiv getestet, keine Symptome 2/288. Insertive Gruppe: Urethrale Symptome bei 282, davon 74 positiv, respektive keine Symptome 839, davon 10 positiv getestet. HIV Status: Fellatio Gruppe: 50 HIV pos. davon 5 positiv getestet, 334 HIV negativ, davon 10 positiv getestet. Insertive Gruppe: 370 HIV pos. 41 positiv getestet, 742 HIV negativ davon 42 postitiv getestet. Urethrale Gonorrhoe bei MSM mit nur Fellatio konnte signifikant weniger dokumentiert werden, als bei der insertiven Gruppe. Auch hier war die Häufigkeit abhängig vom HIV Status.
Die bisher beschränkte Datenlage zur Frage, ob C. trachomatis und N. gonorrhoe durch oralen Verkehr übertragbar sind, hat zur Annahme geführt, dass die oral-genitale Übertragung wahrscheinlich unwichtig sei. Dass aber 314 resp. 292 C. trachomatis und N. gonorrhoe Infektionen bei MSM diagnostiziert wurden, und darunter 16 (5.1%) respektive 19 (6.5%) waren, die „nur“ Fellatio während den letzten 3 Monaten erhielten, lässt an der Vernachlässigung dieses Transmissionsweges zweifeln.
Dies auch im Kontext, dass Fellatio häufig, > 80%, bei MSM praktiziert wird. Dass die beiden Erreger häufiger bei HIV positiven Patienten diagnostiziert wurde, lässt die Autoren eher an ein Ergebnis durch andere Sexualgewohnheiten denken, als an pathophysiologische Überlegungen im Rahmen der HIV Infektion. So war die Anzahl der Sexualpartner bei den HIV positiven MSM höher als bei den HIV negativen MSM (HIV pos: mean Partner 7.54, median 4; HIV neg: mean Partner 5.9, median 3).
Die Studie hat mehrere Limitationen: die Daten stammen nur von MSM, die sich an der STD Klinik in San Francisco vorstellten. Diese Patienten können nicht alle MSM räpresentieren. Die Analyse basiert auch auf Selbsteinschätzung bezüglich Sexualverhalten in den letzten drei Monaten. Es ist denkbar, dass vielleicht ungeschützter Analverkehr häufiger vorkam als geschildert.
Es wäre auch möglich, dass die aktuell diagnostizierten Infektionen allenfalls auch schon vor den drei Monaten übertragen wurden.
Nichts desto trotz, es scheint auch andersrum zu gehen…..und deshalb sollte man diesen Transmissionsweg auch bedenken.
Die Studie wirft interessante Fragen auf, insbesondere auch über den Stellenwert des asymptomatisch besiedelten Oropharynx als Rolle eines Reservoirs und damit als Infektionsquelle in der Population.
Die Empfehlung wäre ein regelmässiges Screening an den exponierten anatomischen Stellen (pharyngeal, urethral, anal) durchzuführen.
Es braucht mehr Daten um die Rolle der pharyngealen Besiedelung als Quelle für genitale Infektionen richtig einschätzen zu können und ob die Chinolon Resistentez von N. gonorrhoe im Pharynx ihren Ursprung nahm.
Was noch gesagt werden muss, Partner möglichst immer mitbehandeln und seien es auch Zahlreiche…
CID 2009;49: Urethral Chlamydia and Gonorrhea from Fellatio, Kyle T.